Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 050.jpg

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versicherte, daß, wenn er Almosen geben würde, sie für ihn um Gnade bitten wolle. So habe er im Traume die Stiftung eines Prämonstratenserklosters zu Ehren der heiligen Jungfrau versprochen, welches er auch auf des Magdeburgschen Erzbischofs Ludolph’s Ermahnen wachend gehalten und von dem Kaiser die Bestätigung darüber erhalten habe. Dies geschah im Jahre 1193.


649) Der Mühlgötz zu Plauen.
Bearbeitet von Julius Schanz. Metrisch behandelt von E. Hager, H. I. S. 57. S. a. Bechstein’s Sagenbuch a. a. O. S. 476.

In der obern Mühle zu Plauen steht schon viele, viele Jahre ein Götzenbild, wer weiß wie alt, das wohl aus der heidnischen Zeit herstammen mag (und angeblich vor langen Jahren auf dem Mühlgraben schwimmend von den Mühlknappen aufgefangen worden sein soll), gemeiniglich nur der Mühlgötz genannt. Niemand wagt es von seinem Platze zu nehmen, und wenn der Müller an ihm vorübergeht, so nimmt er bedächtig sein Käppchen ab, dieweil er den Mühlgötz für den Schutzpatron des Gewerkes hält und ihm den glücklichen Fortgang der Müllerei schuldig zu sein glaubt. Man erzählt sich aber von dem Mühlgötz folgende Sage:

Ein lustiger Müllerbursche, der dem Wasser nachging und wo möglich in jeder Mühle das Gastrecht in Anspruch nahm, kam auch in die obere Mühle zu Plauen. Sein heiteres, witziges Wesen verschaffte ihm mit leichter Mühe ein Nachtquartier, und er hatte sich an reichlicher Speise und einem frischen Trunke schon ein Gütliches gethan, als er erst in das Innere der Mühle trat, um sich dasselbe zu beschauen. Bald blieb er vor einem braunen hölzernen Bilde stehen, das ihn mit weit herausgesteckter Zunge angrinste. „Zum Teufel, was ist denn das für ein Ding?“ fragte er den Müllerburschen, „Es ist wohl gar Euer Schutzpatron?“ „Ih bewahre, es ist ein Stück aus dem Heidenthume“, sagte der Mühlbursche, „der Mühlgötz genannt, der einst wie ein Gott

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_050.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)