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681) Der Spannbauer im Syrauer Walde.
Metr. beh. v. Hager H. I. S. 43.

Im Syrauer Walde erblickt man bei Tage und bei Nacht zuweilen ein Gespenst in Bauerkleidern, welches gewöhnlich eine Tabakspfeife in der Hand trägt, aber wenn es gegrüßt wird, nicht zu danken pflegt. Es ist dieses der ruhelos herumgehende Geist eines Bauers aus Syrau, der im letzten Franzosenkriege französisches Soldatengut unter Escorte nach Plauen fahren mußte. Die raubgierigen Soldaten suchten ihn durch Schimpfreden und Mißhandlungen zu veranlassen, sich zu entfernen, um sich seines Wagens und seiner Pferde auf leichte Weise zu bemächtigen, da er aber ihre Absicht merkte, so ließ er sich durch nichts bewegen, sein Geschirr zu verlassen. Da schlugen ihn die Barbaren todt, ließen ihn liegen und fuhren mit seinem Eigenthum auf und davon, sein Geist aber hat im Grabe keine Ruhe und sucht noch heute seinen verlorenen Wagen und Pferde.


682) Der unheilvolle Andreasabend.
S. Köhler a. a. O. S. 572.

In den siebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts trug sich in Schreiersgrün bei Treuen Folgendes zu. Sechs erwachsene Mädchen wollten am Andreasabend die Wäschstange schütteln[1] und mußten, um zu derselben zu gelangen, über eine Hecke steigen. Als sie schüttelten, hörten sie auf


  1. Im Voigtlande schütteln die Mädchen am Andreasabend einen Erbzaun, d. h. einen Zaun, der sich an einem geerbten Grundstücke befindet, und sprechen dazu:

    „Erbzaun ich rüttle Dich,
    Feines Liebchen, ich bitte Dich,
    Du wolltest mir lassen ein Hündlein bein (bellen)
    Wo mein Herzallerliebster wird sein.“

    Dann horcht man auf Hundegebell, und in jene Gegend, woher dasselbe erschallt, dahin heirathet man (s. Köhler a. a. O. S. 382).

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_074.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)