Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 087.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ein Fürstenschloß gestanden haben, zu dessen Füßen ein See war. Die Tochter des Besitzers sollte an einen andern Fürsten verheirathet werden, sie liebte aber einen Sänger und hatte mit diesem eine geheime Zusammenkunft, bei der sie belauscht wurden. Der Vater durchbohrte sie mit dem Schwerte und schleuderte ihren Leichnam in den See herab. Der Sänger aber stellte sich der andringenden Schaar mit seiner Harfe und seiner Wehr entgegen, bis er auf den letzten Vorsprung zurückgedrängt, sich in den See stürzte. Den Leichnam der Geliebten umschlingend sprach er, einen furchtbaren Fluch über den grausamen Vater aus und als er mit der Geliebten untersank, stürzte das Schloß und der Tempel zusammen und der See erstarrte zu Stein, die Trümmer des Schlosses glaubt man noch heute in dem massenhaften Rollgestein zu sehen.


696) Sage von dem Bauer Kilian in Neuendorf.
Nach mündlicher Ueberlieferung bearbeitet von Julius Schanz.

In Neuendorf saß einst ein stolzer und grimmiger Herr, dessen Lust war es, die Bauern zu knechten und ihr Besitzthum an sich zu reißen. Nun lebte zu selbiger Zeit ein Bauer in Neuendorf, Namens Kilian, der war stets froh und guter Dinge, denn er hatte ein schönes Stück Feld und Wald und daneben lagen sieben fischreiche Teiche. Schon oft hatte ihn der Herr darum angegangen, er solle ihm das Besitzthum, das dem seinen so nahe lag, abtreten, aber stets schlug er es ihm ab, da er’s von seinen Vätern geerbt hätte und auf seine Kinder forterben lassen wolle.

Einst zur Kirchmes, wo reges Leben im Dorfe war, befand sich Kilian unter den übrigen Bauern im Wirthshaus. Auf dem Tanzboden schwenkten sich die Paare, beflügelt und befeuert von den Tönen des Dudelsacks und der Geige. Die Bauern aber aßen und sangen, daß es weit durch das Dorf erscholl. Ein Jeder gab ein Liedlein zum Besten. So kam denn die Reihe auch an Kilian. Dieser wollte rechtes Lob

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_087.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)