Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 098.jpg

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aus den Kufen heraus und ging zu Bette. Als er aber am andern Morgen an die Kufen trat, war das Bier gänzlich verschwunden und mit Grausen gewahrte er, daß es über ihm, an Balken und Dach, in langen braunen Eiszapfen herabhing, mitten in der Sonnenhitze also gefroren war. Das währte drei Monate lang, bis ein kluger Mann den bösen Zauber bannte und das Bier wieder herabträufelte.


706) Sage vom steinernen Kreuz auf der Höhe zwischen Ober- und Unterbrambach.
Bearbeitet von Julius Schanz; metrisch behandelt von Fr. Rödiger a. a. O.

Es war mitten im kältesten Winter, als zu Oberbrambach die Burschen und Mädels in der Spinnstube versammelt waren, nach der noch nicht ganz erstorbenen Sitte früherer Tage. Die Mädchen spannen, die Burschen spielten Karten, bis es neun Uhr schlug. Dann flogen Spinnräder und Karten bei Seite und man belustigte sich mit allerlei Spielen, Nachbarn schlagen, Gänsedieb, Koch und seine Speisen u. dgl. Da begann der Sohn des Richters die kecke Frage aufzuwerfen, wer wohl am meisten tragen könne? – Drei Gulden setze er zum Lohn, wenn einer zwei Scheffel Gerste trage. – Die Bursche schwiegen, ein Mägdlein aber rief: „Ich will zwei Scheffel zur Mühle tragen, sie mahlen, und dann das Mehl bringen, um mir den verheißenen Lohn zu holen.“ – Dem Sohn des Richters war dies ein sehr erwünschtes Anerbieten, denn er liebte das Mägdlein und wollte ihre Arbeitslust durch die Wette erproben. Ihr aber ging es mit ihm ebenso, sie liebte ihn von ganzem Herzen, und die schwere Last war ihr eine Seligkeit, da sie seine Liebe dadurch zu gewinnen hoffte. Als die Gerste gemahlen war, und sie die zwei Säcke auf die Schulter nahm, kraute sich der alte Müller hinterm Ohr und murmelte vor sich hin: „Wer sich in Gefahr begiebt, kommt leicht darinnen um. Möge Dir Gott und Dein Glaube gnädig beistehen!“ – Aber die Jungfrau

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_098.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)