Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 141.jpg

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benannte Gasse in Menge bewohnenden Juden in dieser Höhle ihre Schätze und Kostbarkeiten verborgen haben, um dieselben bei den gegen sie verhangenen Verfolgungen zu sichern, zur Zeit der Noth davon Gebrauch zu machen und sie gelegentlich nach und nach unbemerkt fortzuschaffen. Da nun aber ihre Vertreibung plötzlich erfolgte, so hatten sie sich eilig, glücklich, nur mit dem Leben davon zu kommen, fortbegeben, und so die Schätze, deren Lagerstätte nur Wenigen bekannt gewesen, verlassen müssen. Diejenigen, welche Wissenschaft davon gehabt, waren gestorben und verdorben, und so ruhten diese Reichthümer noch im Schooße der Erde. Am Tage Ursulä des Jahres 1618 ging nun der Seydauer Martin Reike in diese Kluft, und gelangte an eine mit mehrern Riegeln und Schlössern verwahrte eiserne Thüre. Plötzlich vernahm er ein starkes Rauschen, gleich einem vom Felsen herabstürzenden Wasserfalle, und bemerkte, wie sich Schlösser und Riegel von selbst lösten. Ein furchtbarer Knall erfolgte, den Bauer ergriff die größte Angst und Bangigkeit, und zitternd und bebend enteilte er der Höhle, die sich vor seinen Augen verschloß und deren Stelle und Eingang er nimmer fand.

IV. Einst soll in diese verrufene Höhle ein Bauer ziemlich weit hineingegangen und an eine verschlossene Thür gekommen sein, weil ihn aber Grausen anwandelte, ist er ohne weiteres Nachforschen wieder umgekehrt. In dieser Höhle soll sich nun aber ein großer von Kerzen erhellter Saal befinden, in dem an einer langen Tafel die Geister dieses Berges sitzen und zur ewigen Strafe in Haufen Goldes wühlen müssen. Vor längerer Zeit soll aber hier des Nachts ein kleines graues Männlein mit langem, schneeweißen Barte bemerkt worden sein. Dies hörte ein gewisser Reichard aus dem Dorfe Seidau und beschloß die Sache genau zu untersuchen. In einer finstern Nacht machte er sich, nachdem er von den Seinen rührend Abschied genommen hatte, auf den Weg. Kaum hatte er die Spitze des Berges erreicht, so stand auch schon das graue Männlein vor ihm. So muthig Reichard erst gewesen war, so verzagt war er nun, doch erholte er sich

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_141.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)