Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 223.jpg

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andern Malzstock seine Zustimmung gegeben und nach und nach alle Kühlstöcke in der Stadt gesegnet hatte. Allein ein unglücklicher Zufall wollte es, daß, als nun die Gebräude aufgeschlagen wurden und hunderte von durstigen Kehlen nach diesem gesegneten Biere verlangten, es sich fand, daß das ganze Bier essigsauer war. Ueber diese ganz entgegengesetzte Wirkung geriethen nun die Stadtbrauherrn sehr in Schrecken und hielten sie für eine gerechte Strafe wegen ihres Frevels an der Heiligkeit des Klosters, ein Theil eilte dorthin, um für seine Sünden Vergebung zu erlangen, ein anderer aber sann auf Rache. Zu Letztern gehörte auch jener Brauerssohn, der Bräutigam der Tochter des Klosterbrauers. Dieselbe hatte ihm nämlich gerathen, er möge sehen, wie er sich den Rosenholzbecher des Paters verschaffen und ihm seine Beschwörungsformel ablauschen könne, und beide beschlossen, den herumwandernden Mönch abzulauern und ihm sein Geheimniß mit Gewalt zu entreißen. Wie gedacht, so geschehen, der Brauer versteckte sich mit seinem Mädchen in der Nähe des Kühlstocks im Klosterbrauhause, und als Pater Laurentius wiederum in der Mitternachtsstunde angewackelt kam, aus dem Kühlstocke kostete und seinen geheimen Spruch that, da entriß ihm das Mädchen mit gewandter Hand den Becher und ihr Bräutigam, ein starker Bursche, hob ihn hoch empor, hielt ihn über die brodelnde Flüssigkeit und vermaß sich hoch und theuer, in hineinfallen zu lassen, wenn er ihm nicht den Segen mittheile. Der von Todesangst ergriffene Pater aber vermochte nur unverständliche Töne zu lallen, und als der junge Mann, dem seine Last zu schwer ward, seine Braut aufforderte, zuzugreifen und ihm zu helfen den Mönch wieder heraufzuheben, da packte dieser krampfhaft das Mädchen, dieses bekam das Uebergewicht und stürzte kopfüber in den Kühlstock. Vor Schrecken ließ nun der Bräutigam auch den Mönch untersinken, und als er nach einigen Augenblicken gesehen, was er angerichtet hatte, folgte er freiwillig den beiden Opfern in die Tiefe. Weder er noch eins derselben kam wieder in die Höhe, nur das Gebräu wallte etwas auf.

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_223.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)