Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 298.jpg

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Pulsnitz, befand sich vor nicht gar zu langer Zeit eine hohe Fichte, aus welcher zu manchen Zeiten des Nachts ein tutendes Geheul ertönte, von dem man sagte: „der Heidut läßt sich hören.“ Nun war aber gedachter Heidut – sein wirklicher Name ist im Strome der Zeit verloren gegangen – ein gar frommer und gottseliger Mann zu Pulsnitz, der den Armen viel zu Gute that, und die Kirche und ihre Diener reichlich bedachte. Darum that der Herr auch große Wunder an ihm, dergestalt, daß er seinen Hut, Degen, Wamms, Gürtel, Stiefel und Sporen an Sonnenstäubchen aufhängen konnte, an denen sie auch wie an einem Nagel fest haften blieben. Da sann der Teufel, dem ein so frommer und bei Gott wohl angesehener Mann ein Greuel war, darauf, wie er ihn zu Schanden machen könne. Einst war Letzterer in der Kirche, da sah er, wie während der Predigt der Teufel allen sterblichen Augen unsichtbar die Sünden der im Gotteshause befindlichen Andächtigen auf eine Bockshaut notirte, da dieselbe aber nicht zureichte, sie mit seiner Kralle und Füßen auszudehnen suchte, und bei diesem Bemühen aus dem Gleichgewicht kam, und sich unsanft niedersetzte. Dies kam dem frommen Manne so lächerlich vor, daß er laut auflachte und dadurch die Predigt störte.[1] Als er nun nach Hause kam, wollte er seine Kleider wie gewöhnlich an den Sonnenstäubchen aufhängen, allein dies ging nicht mehr, und vor Aerger fing er an gräßlich zu schimpfen und zu fluchen. Damit fiel er aber in die Hände des Teufels, denn ein so frommer Verehrer der Kirche und der Heiligen er bisher gewesen war, ein so frecher Gottesleugner ward er nun, sein täglicher Aufenthalt war im Wirthshause, wo er die Zeit mit Saufen und Schlemmen hinbrachte, die er nicht mit seinen wilden Gesellen auf der Jagd todtschlug, ja am eifrigsten trieb er es während des Gottesdienstes. So saß er auch einst im Kreise seiner Zechbrüder, da traf ihn der Schlag,


  1. Diese Sage ist oben Nr. 809. S. 203. sq. schon von dem wilden Jäger erzählt.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_298.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)