Vermögen nahm und die schönsten Mädchen aus der Umgegend raubte und auf seine Burg schleppte, wo er seine Lust an ihnen büßte und sie dann im Burgverließe umkommen ließ. Endlich vermochten seine Nachbarn sein Treiben nicht länger ruhig mit anzusehen, sie zogen gegen ihn und schlugen in den Triften der Nassau ihn nach erbittertem Kampfe auf’s Haupt. Er selbst floh mit den wenigen Resten seiner Mannen auf sein Schloß, siehe da zog ein furchtbares Wetter heran, und mit Grausen sahen die noch auf dem Schlachtfelde lagernden Gegner, wie bei einem mächtigen Donnerschlag und Blitz das Schloß mit allem, was darinnen war, versank. An dieser Stelle läßt sich nun noch jetzt zuweilen ein hohläugiges Gespenst sehen, welches bald zu Roß, bald zu Fuß die wüsten Fluren wehklagend durcheilt, – aber auch die Geister der von ihm umgebrachten Unschuldigen haben keine Ruhe, man erblickt sie des Nachts, wie sie als Irrlichter über den Boden fliegen.
Wenn man von dem Dorfe Diespar nach Seußlitz in der Nähe von Meißen geht, erblickt man einen hohen Felsen, dessen eckige Kante einem Menschengesichte gleicht. Das Volk erzählt sich, es hätten in einer nahegelegenen Schlucht zwei Brüder gewohnt, die das Räuberhandwerk getrieben, aber beide ein Mädchen geliebt hätten, über deren Besitz sie in Streit gerathen wären. Das Mädchen habe aber endlich einem derselben den Vorzug gegeben, und dieser habe seine Geliebte über die Elbe auf der sogenannten Diebsfähre geführt, sein Nebenbuhler aber, als er das gesehen, habe sich aus Verzweiflung vom Berge herabstürzen wollen, sei aber von einem Zauberer in einen Felsen verwandelt worden.
Auf dem Keilenberge bei Königsbrück, der jetzt zum Andenken
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_062.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)