Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 075.jpg

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Euern Nachkommen nach 1000 Jahren schaden.“ Die Gesandtschaft, welche dem Roß gefolgt, traf auch richtig den Primislaus an Ort und Stelle an, und da das Pferd sofort vor ihm auf die Knie sank, so veranlaßte dies die Gesandten, ihm der Libussa Befehl und des Volkes Verlangen zu entdecken, worüber Primislaus ganz bestürzt war. Endlich steckte er eine Ruthe in die Erde und sprach, es sey denn daß diese grüne und blühe, sonst könne er es nicht glauben, spannte dann die Ochsen aus und sagte: gehet hin wo Ihr hin wollt. Worauf aber Primislaus mit denselben einen gewaltigen Sprung in die Wolken that, von dem die Ochsen jedoch nicht wieder zum Vorschein gekommen sind, die häselne Ruthe hat sogleich zu grünen, drei Zweige mit Blättern zu treiben und zu wachsen angefangen, auch in demselben Augenblick Früchte hervorgebracht, aus welchen nachgehends eine Haselstaude geworden, so noch heutzutage bei dem Dorfe Staditz steht und über welche Kaiser Karl IV. i. J. 1359 ein Privilegium an zwei Feldnachbarn des Primislaus gegeben hat, daß diese frei von allen Abgaben und Frohnen sein sollten (weil sie damals die einzigen gewesen, die Primislaus Glück gewünscht), dafür aber die Haselstaude zu pflegen und die Nüsse, welche sie trüge, nach Prag an die königliche Kammer abzuliefern hätten. Dann hat Primislaus den Pflug umgewendet, ein Stück schimmlig Brod und Quark hervorgezogen, solches auf den Pflug gelegt und die Gesandten zu Gaste gebeten, welche sich um den Pflug herum auf die Erde setzten und sich mit Brod und Wasser tractiren ließen, dabei aber fleißig an Libussä Worte dachten. Nach geendigter schlechter Mahlzeit legten sie Primislaus das fürstliche Kleid an und zogen ab gen Prag, da denn dieser seine Schuhe von Lindenbast zum Gedächtniß mitnahm, welche erst in den hussitischen Unruhen verloren gegangen sind. Als sich nun dieser bäuerische Prinz dem Schlosse nahete, kam ihm Libussa mit ihrem Frauenzimmer entgegen, führte ihn in ihr Zimmer, tractirte ihn mit Wildpret und Meth und hielt auch noch an demselben Abend ihr Beilager mit ihm. Deshalb hat aber

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_075.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)