Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 102.jpg

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sprangen die Thüren von selbst auf, und herein traten zwölf Paare von Todtengerippen, die Leichentücher um ihre nackten Gebeine geschlagen. Sie zogen hinter einander mehrmals in dem Saale herum und schienen sich zuweilen förmlich nach einem gewissen Tacte zu bewegen. Da ward dem Trompeter ganz ängstlich zu Muthe, er wußte nicht, was er machen sollte, griff fast unwillkürlich zu seinem Instrumente und begann ein lustiges Stücklein zu blasen. Das schien den unheimlichen Besuchern sehr zu gefallen, sie nickten ihm Beifall zu und begannen sich nach der Musik herum zu drehen. Der gezwungene Musiker blies nun wacker darauf los, aber je schneller er blies, desto rasender flog der gespenstige Reigen, und als er endlich erschöpft aufhören wollte, da machten ihm die höllischen Tänzer so drohende Zeichen, daß er alle Kräfte sammelte und ein Stück nach dem andern aufblies. Endlich, eben wie er daran war, vor Ermüdung umzusinken, da hörten die tollen Tänzer plötzlich von selbst auf, einer aus ihrer Mitte trat zu ihm heran und sprach: „Fremdling, wir danken Dir, Du hast durch Dein Blasen die Bedingung erfüllt, welche allein es uns gestattet, zum ewigem Schlaf einzugehen; von dieser Stunde an werden die Räume dieses Hauses von uns nicht mehr unsicher gemacht werden.“ Bei diesen Worten schlug es Eins, und in demselben Augenblick stürzten auch sämmtliche Knöchler in Staub zusammen; aber auch der Trompeter verlor das Bewußtsein und erst das durch die Fenster dringende Sonnenlicht weckte ihn aus seiner Betäubung. Das Erste aber, was er that, als er wieder zu sich kam, war, daß er aus voller Brust zum geöffneten Fenster hinaus ein frommes Danklied zu dem hinaussendete, der ihn in dieser Nacht so wunderbar in seinen Schutz genommen. Das Trompetengeschmetter weckte aber den Wirth und seine Gäste im alten Hause aus dem Schlafe, Alle eilten herbei, um den von ihnen schon todtgeglaubten Geisterverächter zu sehen, und als derselbe nun das Geschehene berichtet und das Häuflein Asche die Wahrheit der Erzählung bezeugt hatte, da wußte sich der Wirth vor Freude kaum zu lassen und bot dem

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_102.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)