Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 122.jpg

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bis zum Grundstücke des H. Lohnkutscher Winkelmann auf der Gr. Reitbahnstraße erstreckte und an seinem Ende ein Gartenhäuschen trug, das so merkwürdig gebaut war, als habe Jemand zwei Häuschen mit ihren Langseiten dicht zusammengeschoben. Dieses Gartenhäuschen war eigentlich der graue Sünder, nicht das ganze Grundstück. Wie es jetzt steht, ist es indeß erst im J. 1826 erbaut worden, doch hat an seiner Stelle früher ein ähnliches gestanden, von dem die spätere Zeit, welche alle Romantik abstreift, erzählte, es habe seinen Beinamen davon erhalten, weil im vorigen Jahrhundert daselbst ein liederliches Frauenzimmer gewohnt, welches hier gottlose Streiche, namentlich mit alten Männern, verübt habe. Die Volkssage aber weiß es anders und berichtet Folgendes darüber:

In uralten Zeiten, als Dresden noch sehr klein war, ging dort eine Straße nach dem Seethore. Da wanderte einst ein Mann mit drei Söhnen in die Stadt ein, der angeblich vor den Greulthaten der Hussiten geflohen war. Derselbe wandte sich mit der Bitte an den Markgrafen von Meißen, ihm zu gestatten, sich auf dem diesem Fürsten gehörigen Lande am sumpfigen See anzubauen und gegen einen Zins ein Gasthaus anzulegen, wo die, welche des Nachts nach der Stadt kämen und nicht mehr ins Thor eingelassen würden, Einkehr finden könnten. Dies ward ihm gestattet und so ward das Haus zu einer viel besuchten Herberge. Inzwischen erlernten die Söhne des Gastwirths das Fleischerhandwerk und zogen in die Fremde. Da kommt eines Abends bei einem greulichen Unwetter ein fremder Fleischer noch in die Herberge, bittet um Aufnahme und zählt, während der Wirth auf der Ofenbank eingenickt scheint, seine Baarschaft. Hierauf geht er zu Bett. Kaum eingeschlafen, erhebt sich im Hause ein kleines Geräusch, als wenn Jemand in die Stube des Fremden käme, derselbe erwacht bei einem heftigen Donnerschlage und siehe, da steht der Wirth vom Blitz beleuchtet mit geschwungener Axt vor ihm, um ihm den Kopf zu spalten. Furchtbar erschreckt springt jener aus dem Bette, entreißt dem Alten die Axt und schlägt denselben damit nieder, eilt die Treppe herab, riegelt

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_122.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)