Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 147.jpg

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ihr das Volk gegeben hat, paßt. Die Entstehung desselben wird folgendermaßen erzählt. In der Heidenzeit hatten sich zu Eschdorf schon Christen angesiedelt, bei denen Tanz und Spiel gerade so Mode war, wie in unsern Tagen. Nun fand sich bei dergleichen Festen oft ein wundervoll schönes, Allen unbekanntes Mädchen ein, die äußerst knapp und reinlich gekleidet war, aber immer an ihrem Kleide einen nassen Saum hatte, als sei sie über thauige Wiesen gegangen. Neid und Neugierde plagte die Dorfbewohnerinnen gewaltig, zu erforschen, wer wohl die fremde Tänzerin, die allen jungen Burschen den Kopf verdrehe, sein möge; allein Niemandem gelang es, den Schleier, der über ihrem geheimnißvollen Kommen und Gehen ruhte, zu lüften, bis das Mädchen einmal einem hübschen Jüngling auf vieles Bitten erlaubte, sie nach Hause zu begleiten. Das Mägdlein führte ihn über den Gückelsberg nach dem Rossendorfer Teiche, der damals ein großer See war, und an dem Ufer angelangt, wollte sie von ihrem Begleiter Abschied nehmen; da derselbe aber noch nicht scheiden mochte, so sprach sie: „nun wohl! heute Nacht ist mein Vater nicht daheim, Du magst mich also in unsere Hütte begleiten, kommt aber jener zurück und findet Dich, so ist es um uns beide geschehen.“ Der Jüngling ließ sich indeß nicht abschrecken, sie schlug also mit einer Ruthe ins Wasser und siehe, das Wasser theilte sich, so daß sie auf einem schmalen Pfade trockenen Fußes die Insel in der Mitte des Gewässers erreichen konnten. Hier angekommen, schlug das Mädchen abermals in das Wasser, und alsbald war der Pfad wieder verschwunden. Als der Morgen dämmerte, fing auf einmal der See zu brausen an, da rief die Nixe voll Schreck: „schnell verstecke Dich, mein Vater kommt, sonst sind wir verloren.“ Kaum hatte sie ihren Liebhaber in einen dastehenden Backtrog gesteckt, so trat ein riesiger Greis in die Hütte, die Tochter sprang ihm entgegen und suchte durch Liebkosungen ihre Angst zu verbergen, der alte Nix aber schnopperte überall herum und sprach finster: „es riecht mir hier nach Christen.“ Da entgegnete das schlaue Mädchen: „wo sollen denn hier

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_147.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)