Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 155.jpg

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sprach: „fürchte Dich nicht, ich bin Dein Bräutigam, als ich das letzte Mal nach Hause schwamm, haben mich die Götter des Stroms zu sich hinabgezogen, mir ist wohl, lebe wohl, singe mir aber noch einmal Dein letztes Lied, es soll mein Sterbelied sein.“ Sie sang es, und wie der letzte Ton verklungen war, da zerfloß auch die Gestalt in Nebel, das unglückliche Mädchen sank ermattet auf dem Felsen nieder, schlief ein, erwachte aber niemals wieder. Wenn nun um Mitternacht der Vollmond auf den Singestein niederblickt, da hört man klagende Töne von demselben aus erklingen und deshalb nennt man ihn den Singestein, ja man erzählt, daß, wenn der Todestag der unglücklichen Braut wiederkehre, Engel über dem Felsen schweben sollen, die Rosen und Lilien auf ihn herabstreuen.


165) Der Spielmann am Niederpoiritzer Damm.
Poetisch behandelt v. Trautvetter bei Günther, Großes poet. Sagenbuch der Deutschen S. 55.

In der Nähe des Dorfes Niederpoiritz bei Pillnitz ist einmal ein Reitersmann erschlagen worden, und weil derselbe ohne Beichte und Absolution dahin gefahren, hat sein Geist keine Ruhe finden können und zur Mitternachtszeit die Vorübergehenden erschreckt. Da ist einmal zu dieser Stunde ein Prager Fiedler dorthin gekommen, ein kecker Bursche, der den Teufel selbst nicht fürchtete, der hat sich an dem dort befindlichen Erlenbusche niedergesetzt, seine Fiedel zur Hand genommen, ein lustiges Stücklein gespielt und spottweise den spukenden Reiter zum Tanze geladen. Allein da hat sich ein solch unheimliches Geräusch in der Luft und den Gipfeln der hohen Bäume erhoben, daß dem kühnen Spötter angst und bange ward, er warf seine Fiedel auf den Rücken und lief, was er laufen konnte; allein der Spuckgeist war noch schneller, er hockte ihm auf und zwang ihn mit den Spornen zu laufen, bis ihm der Athem ausging. Am andern Morgen fand man den Spielmann todt auf der Erde liegen; seit dieser Zeit aber

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_155.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)