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Premislaus Ottokar zu vermählen wünschte. Er ließ also einen Maler kommen, um ihr Bildniß zu entwerfen, welches er dem jungen König zuzusenden dachte; allein da jener jung und schön war, so entspann sich sehr bald ein Liebesverhältniß zwischen beiden, welches wider Erwarten dadurch zu einem glücklichen Ausgang geführt, daß, weil es dem Maler gelang, bei einer plötzlich durch das Einschlagen eines Blitzes in der Schloßkapelle ausgebrochenen Feuersbrunst das dort betende Burgfräulein mit Gefahr seines Lebens zu retten, er dafür dieselbe von ihrem Vater zur Gemahlin erhielt. Nach einer andern Erzählung wäre jedoch jener Maler ein verkappter Rittersmann, ein gewisser Bernhard von Kamenz gewesen, der jene Jutta schon in früher Jugend gekannt hatte und sich ihr jetzt unter dieser Verkleidung zu nähern genöthigt war, weil sich zwischen ihren beiderseitigen Vätern ein Zwiespalt eingestellt hatte. Allein die Liebenden wurden nicht vereinigt, Jutta nahm den Schleier und Bernhard zog gegen die Ungläubigen, wo er einen ruhmvollen Tod suchte und fand.


188) Die steinerne Jungfrau auf dem Pfaffenstein.

Melissantes, Curieuse Orographie. Frkft. u. Lpzg. 1715. S. 514. Süsse, Historie des Städtchens Königstein. Dresden 1755. 4. S. 215. Poet. beh. bei Segnitz Bd. II. S. 3 sq. und Ziehnert Bd. III. S. 127 sq.

Der Pfaffenstein, sonst auch der Jungfernstein genannt, ist ein hoher, mit Wald bewachsener Felsen, der sich ohngefähr eine halbe Stunde weit der Festung Königstein gegenüber befindet. Auf der Südwestseite desselben erblickt man die sogenannte steinerne Jungfrau, d. h. einen Felsen von Form einer riesenhohen Jungfrau, ohne Arme und Füße, welche einen Korb am Arme (?) trägt, und von dessen Ursprung man sich Folgendes erzählt. Es soll einst eine Mutter aus dem benachbarten Dorfe (Pfaffendorf) ihre Tochter des Sonntags haben in die Kirche gehen heißen, statt dessen ist aber dieselbe unter der Kirche auf den Pfaffenstein in die Heidelbeeren gegangen, als nun die Mutter ihr nachgegangen und

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_169.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)