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215) Das wunderbare Gesicht der Sabina Fiedlerin zu Lockwitz.
Curiosa. Sax. 1737. S. 14. sq. 26. sq. (a. Gerber, Histor. der Wiedergeborenen in Sachsen XIIIte Hist. S. 276.)

Es hat eine gewisse Sabina Fiedlerin aus Markersbach in Böhmen, welche sich zu Lockwitz bei Dresden mit ihrem Manne von Tagearbeit ernährte, nach dem Tode desselben folgendes wunderbare Gesicht gehabt. Sie ist einmal zur Herbstzeit in die Wälder bei Königstein gegangen, um, wie sie oft gethan, Heidelbeeren zum Verkauf zu suchen. Wie sie nun den ganzen Vormittag in den Bergen herumgegangen, hört sie im Dorfe Hennersdorf, das dem Grafen Zinsendorf gehörte, Mittag läuten, setzt sich auf den nahegelegenen Berge nieder, sucht ein Stück Brod aus ihrem Korbe und ißt. Da sie sich einmal umsieht, steht ein hellglänzender Mann bei ihr, der hält in der Rechten ein bloßes feuriges Schwert, in der Linken eine feurige Ruthe und spricht also zu ihr: „Siehe herab in den Grund.“ Als sie das thut, erblickt sie darin eine große weite Grube, die voller Schlamm ist. Nun ist in diesem Grunde zwar ein ziemlich hoher Wasserfall, der von einem Wässerlein, das bei dem gräflichen Hofe vorbeifließt und in diesen Grund fällt, herrührt, allein es ist kein Schlamm darin zu sehen. Die Fiedlerin sieht aber, daß in dieser Grube voller Schlamm viele große Herren mit schönen Kleidern und großen Perrücken sitzen; um dieselbe stehen aber Männer, die haben große Hunde an Stricken, die bellten heftig auf die Herren in der Schlammgrube und wollten immer zu ihnen hineinspringen. Der glänzende Mann schlägt auch mit dem Schwerte die Wipfel von Tannenbäumen herunter und sagt zu ihr: „Siehst Du das Alles?“ Sabina antwortet mit Furcht und Zittern: „Ja, mein Herr.“ Er spricht ferner: „Fürchte Dich nicht, Dir soll kein Leid widerfahren; gehe aber in die Stadt Dresden und verkündige Geist- und Weltlichen den großen Zorn Gottes und die schweren Strafen des Landes“ u. s. w. Er spricht dann noch einmal mit großem

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_190.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)