Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 241.jpg

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er den Bauern von Deuben zum Tanze aufgespielt hatte und in der Mitternachtsstunde einsam nach Hause ging, überrechnete er den Ertrag seiner Geige und dachte dann an den künftigen Sonntag, zu welchem er wieder bestellt war. So verging ihm die Zeit und unvermerkt kam er zum Windberg. Da fiel ihm auf einmal das Zauberschloß ein, von welchem er in seiner Jugend so viel gehört hatte, daß es im Innern des Berges stehen solle – auch auf dem Gipfel desselben soll früher ein Schloß gestanden haben – und sprach bei sich selbst: „Du bist doch nun schon manches liebes Jahr und zu jeder Stunde der Nacht da vorübergegangen und hast noch niemals etwas von diesem Zauberschlosse gespürt, wer weiß, ob es wahr ist. Mir sollte Niemand erscheinen und mir gebieten, zu folgen, ich faßte mir wirklich ein Herz und füllte mir meine Tasche mit Gold. Ja wer nur den Eingang in’s Zauberschloß wüßte!“ „Den will ich Dir zeigen,“ erwiderte ihm ein Mann, den er niemals gesehen und der ihm jetzt gerade in den Weg trat. Der arme Görge erschrak so gewaltig darüber, daß er nicht einmal zurückzutreten vermochte, und so freundlich auch immer die Antwort des Unbekannten erklang, so sah es doch um das Herz, was er sich vorhin zu fassen getraute, gar jämmerlich aus. „Komm, folge mir getrost,“ versetzte der Berggeist, „Du wirst im Schlosse von einer hohen Gesellschaft erwartet, um ihr zum Tanze zu spielen; sie wird Dich gnüglich bezahlen, daß Du Dein Lebelang hast, was Du brauchst: aber hüte Dich ja, im Schlosse zu reden und fordere ja nicht, wenn man Dich fragt, was Du für Deine Musik begehrest.“ Rothkopfs Görge war ganz versteinert vor Schrecken. Der Berggeist ging vor ihm her und winkte ihm, zu kommen, und Görge folgte, ohne es zu wollen. „Was hülf’ es Dir auch, wenn Du flöhest,“ vermochte er doch noch bei sich zu denken, „er würde Dich bald ergreifen und Dir wohl gar das Genicke brechen.“ Mit Inbrunst stammelte er das stets so bewährte: „Alle gute Geister etc.,“ was schon so Manchem in gleichen Aengsten geholfen, und wankte zitternd hinter ihm drein.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_241.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)