Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 244.jpg

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Decke über den Kopf und drückte noch unter derselben die Augen so fest zu, als er konnte, allein die Bilder des Zauberschlosses schwebten ihm noch immer vor Augen, bis endlich die Müdigkeit der Geschäftigkeit seiner Einbildungskraft Einhalt that und der ganze Görge mit Leib und Seele in einen tiefen Schlaf versank.

Als er am Morgen erwachte, stand der ganze Zauber mit aller Lebhaftigkeit wieder vor ihm da. Er sprang sogleich aus dem Bette, um seinen Hut zu besehen, der seiner Meinung nach ganz verbrannt sein mußte, aber zu seinem größten Erstaunen fand er den Hut unversehrt. Indem er ihn so verwundert von allen Seiten herumdrehte, fiel aus einer kleinen Oeffnung im Futter ein Goldstück heraus, dergleichen er noch nie eins in Händen gehabt hatte. Auf einmal enträthselte sich ihm nun die Belohnung mit den glühenden Kohlen, sowie die sich immer vermehrende Schwere derselben. Mit großer Begierde sprang er vor’s Haus, nach den ausgeschütteten Kohlen zu sehen, allein statt der gehofften Goldstücke fand er nichts als ein Häufchen todter Steinkohlen. Er raffte sie alle emsig zusammen und trug sie hinein auf den Tisch, allein sie wollten weder erglühen, noch in Gold sich verwandeln. Er that sie wieder in den Hut, allein auch dieser Versuch lief fruchtlos ab.

Da stand nun Rothkopfs Görge und kratzte sich hinter den Ohren, daß er sein Glück so verscherzt hatte. Das in dem Hute gefundene Goldstück machte ihn ärmer als er gewesen war, weil es ihn beständig an seinen Verlust erinnerte. Da er aber als lustiger Spielmann von Natur keinen Hang zur Schwermuth besaß, so ergab er sich endlich darein, und nach einigen Jahren schien er sogar froh darüber, daß er nicht zum reichen Manne geworden war. „Denn“, sprach er zuweilen, „schon das eine Goldstück hat mir Unmuth und Sorgen genug gemacht, wie sehr würde mich nicht erst ein ganzer Hut voll solcher Goldstücke gepeinigt haben.“

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_244.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)