Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 264.jpg

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Kelchs einer weißen Lilie oder Rose hat, an der ein Stiel unten heraus geht, der von einem starken Jüngling mit gebogenem Rücken getragen wird. Alles ist aus lauter Steinwerk künstlich durchbrochen, und erzählt man, daß einst ein Meister und sein Geselle[1] jeder ein Modell für diese Kanzel (nach Andern hätte jeder eine Kanzel gebaut) entworfen hätten, das des Gesellen sei aber besser gelungen und derselbe deshalb von seinem Meister erschlagen worden, es könne aber deshalb kein Prediger auf derselben auftreten, weil es ihn nicht darauf leide. Der wahrscheinliche Grund für letztern Umstand liegt aber darin, weil ein Rückenhalt fehlt, der Standort derselben akustisch unpassend gewählt, und ihre Dauerhaftigkeit selbst vielleicht fraglich ist.


289) Sprüche von der Stadt Freiberg.

Die Stadt Freiberg ist nicht blos durch ihren reichen Bergsegen, sondern auch durch die Schönheit ihrer Lage berühmt gewesen; davon sagt ein altes Sprichwort (bei Knauth, Prodr. Misn. S. 172): wenn Leipzig mein wäre, wollte ich es in Freiberg verzehren. Obgleich das Freiberger Bier zwar keinen besondern Namen hatte, wie es im 16. und 17. Jahrhundert Mode war[2], gab es doch zu einem andern Sprichworte Gelegenheit. Dieses hieß: es kitzelt einem in der Nase, wie das Freiberger Bier. Ein anderes Sprüchlein, daß sich zugleich mit auf zwei andere Städte Sachsens bezieht und deren Untergang prophezeit, lautet traurig genug also:


  1. Dieser soll der Mann sein, der die Kanzel trägt, der Meister aber der Mann in altdeutscher Tracht, welcher unter der Treppe (von 17 Stufen) sitzt. An der Kanzel steht Papst Sixtus IV., unter dem der Dom eingeweiht ward, 1 Cardinal und 2 Bischöfe, außerdem befinden sich bei ihm auch noch 2 Löwen, einer stehend, der andere liegend und hinter diesen 2 zottige Hunde. Der vorige Director d. Kgl. Kupferst. Cab., Frenzel, hat diese Kanzel in Kupfer gestochen, die Abbildung ist jedoch nicht publicirt. Eine andere steht im Sammler 1838. Nr. 1.
  2. Ein Verzeichniß solcher curioser Biernamen s. Curiosa Sax. 1753 p. 315. Iccander, Sächs. Kernchron. CXLIV. Paquet S. 1018. Klemm, Allg. Culturwiss. Bd. II. S. 332 sq. u. in meinen Bierstudien (Dresd. 1872). S. 68 fgg.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_264.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)