Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 334.jpg

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sind jedoch beide Burgen erst im Jahre 1488 verbrannt worden. Auf Zinnbergs Ruinen sah man noch gegen Anfang des 17. Jahrhunderts einen alten Thurm stehen, von welchem zur Zeit einiges Gemäuer übrig geblieben ist. Bei Zerstörung der unter Penig gelegenen Burg Drachenfels sollen übrigens die Hühner aus derselben über die Mulde auf den gegenüberliegenden Berg geflogen sein, woher der Hühnerberg seinen Namen erhalten habe.

Ueber die Raubritter auf Zinnberg und Drachenfels und über die Veranlassung zur Zerstörung dieser beiden Burgen geht nun folgende Sage. Zinnberg und Drachenfels waren im Besitz von zwei Brüdern, welche man gewöhnlich die Schachtritter nannte, weil, zur Leistung gegenseitigen Beistandes, ein unterirdischer Gang beide Burgen verband. Der eine dieser Brüder, der Ritter auf dem Drachenfels, war mit Fräulein Elsbeth, der Tochter des Ritters Haimburg[1] zu Waldenburg, verlobt.

Elsbeth erhielt einst heimlich Nachricht, ihr Verlobter betreibe Räuberei. Um sich selbst zu überzeugen, ob diese Kunde wahr oder falsch sei, machte sie sich mit Bewilligung ihres Vaters auf und fuhr, von des Vaters Knappen begleitet, bis an den Felsen, welcher unmittelbar am rechten Muldenufer hart hinter Penig am Fuße des Galgenberges liegt. Hier stieg sie, ihr Gespann stehen lassend, aus dem Wagen und begab sich auf die Burg. Auf dieser herrschte eine tiefe grauenvolle Stille. Düstere Ahnungen durchbebten des Fräuleins Seele: sie schaute sich um, fand Blutspuren auf dem Vorsaale und an der Caminthüre des Ritters Siegelring.[2]

Noch mehr Blutspuren nebst einem bluttriefenden Dolche


  1. Wenn auch dieser Sage vielleicht irgend eine historische Wahrheit zu Grunde liegen sollte, so ist dieser Name sicher eine Erfindung. Man kennt aus Urkunden die Besitzer von Waldenburg seit dem 11. Jahrhundert. Unter ihnen kommt kein Haimburg vor.
  2. Nach einer andern Relation fand Elsbeth einen Finger, an welchem der Ring ihres Bräutigams steckte.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_334.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)