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fand das Fräulein auf dem Zimmer des Ritters, der eben vorher einen Mord begangen und bei dem Ringen mit seinem Schlachtopfer seinen Ring verloren hatte. Elsbeth nahm schaudernd den Siegelring mit dem blutigen Dolche, und kehrte, ohne bemerkt zu werden, aus der Burg nach ihrem Gespann und mit diesem wieder nach Waldenburg zurück. Der vorstehend beschriebene Fels, wo ihr Gespann gestanden, heißt davon aber heute noch der Liebchenstein.[1]

Das Fräulein hinterbrachte ihrem Vater die schreckliche Kunde, worauf Ritter Haimburg mehrere Ritter (worunter der Ritter Gerold von Rabenstein) nebst dem Schachtritter zu sich entbieten ließ. Das Mahl war bereitet und die Pokale kreisten nach Ritterart. Aber über dem festlichen Mahle wurden dem Schachtritter plötzlich der Siegelring nebst dem Dolche vorgezeigt; leicht ward er des Mordes überwiesen, von den herbeigerufenen Knappen gefesselt und in Haimburg’s Burgverließ geworfen. Letzterer verband sich dann mit noch mehreren Rittern und brach die beiden Raubritterburgen Zinnberg und Drachenfels. Das Fräulein aber soll bald darauf ihrem Leben selbst aus Verzweiflung ein Ende gemacht haben.


385) Der brennende Mönch bei Rochsburg.
S. Monatl. Unterr. a. d. Reiche d. Geister. Bd. I. S. 539.

Der Verfasser der Monatlichen Unterredungen aus dem Reiche der Geister ritt einst nach Rochsburg und zwar so, daß der an einer Anhöhe gelegene Flecken Bottelsdorf ihm links liegen blieb. Da erblickte er oben auf der Spitze des


  1. Der Liebchenstein liegt unmittelbar an der Mulde. Früher war er ein sehr interessanter Punkt wegen der merkwürdigen Felsbildung. Seit einigen Jahren ist jedoch an demselben ein Steinbruch angelegt worden und bereits ein bedeutender Theil des Liebchensteins ist verschwunden. Auch fanden sich früher bei dem Liebchenstein mehrere von Menschenhänden ausgehauene Felshöhlen. Diese sind ebenfalls in neuerer Zeit verschwunden, da sie bei dem Steinbrechen verschüttet wurden.
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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_335.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)