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400) Der Ursprung von Leipzig und seinen Linden.
Peccenstein, Theatr. Sax. Th. III. S. 78 sq.

Die Stadt Leipzig soll nach Einigen ihren Namen daher haben, daß ein gewisser Lybonothes, ein Kriegsfürst jenes Arminius, der den Varus schlug, hier sein stetiges Hoflager gehalten und im Schlosse Aldenburg, nahe dem Ranstädtischen Thore gelegen, da wo die Pleiße und Parthe zusammenkommen, residirt habe: nach diesem habe es erst den Namen Libonitz, aus dem dann durch Zusammenziehung Lyptz ward, geführt. Weil aber dieses Wörtchen in wendischer[1] Sprache einen Lindenbusch bedeutet, so haben Andere, wie der Pirnaische Mönch und Erasmus Stella berichtet, daß an dem Orte, wo jetzt die Stadt liege, ursprünglich ein Dorf gewesen und hier unter einem schönen Lindenbaum mit weit ausgebreiteten Aesten ein Abgott der Sorben-Wenden Namens Flyns gestanden habe, so von schrecklicher Gestalt war, nämlich ein todter Körper mit einem langen Mantel behangen, in seiner Hand einen Stab mit einem brennenden Blasfeuer, auf der linken Schulter einen aufgerichteten Löwen haltend und auf einem hohen Steine stehend, der sei hochgeehrt worden, da sie meinten, der Löwe solle sie von den Todten auferwecken. Solchen Abgott hat der h. Bonifacius im J. 728, als er unter den Sorben das Christenthum gepredigt, abgeschafft und mit Hilfe frommer Herzen ein Klösterlein und einen Convent von wenigen frommen Männern, die er von Mainz kommen lassen und in seiner Abwesenheit das Volk im christlichen Glauben erhalten sollten, errichtet. Dieses Kloster, so neben Rochlitz in diesem Lande das erste gewesen, war dem h. Jacobus geweiht, und erzählt Stella, daß es an dem Zusammenfluß der Pleiße und Parthe gestanden habe und zu seiner Zeit noch einige Mauern davon zu sehen gewesen.


  1. Lipa = Linde. Obermüller, Celt. Wtbch. Bd. II. S. 232. leitet es von liub, Winkel, und tigh, Dach, ab; also = Ort im Flußwinkel.
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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_348.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)