Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 349.jpg

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Ob nun wohl die Heiden, nachdem der h. Bonifacius und seine Jünger Ludgerus, Rupertus und Gallus den Rücken gewendet, Alles wieder zerstört haben, ist der Ort gleichwohl von Tage zu Tage gewachsen und von Markgraf Conrad mit Mauern umgeben worden. Seitdem ist der Brauch aufgekommen, daß, wo Kirchen aufgerichtet wurden, man auch gemeiniglich eine oder zwei Linden daneben pflanzte und aufzog, wie auf allen alten Kirchhöfen zu sehen und man selbigen Baum fast für heilig und es für eine Sünde hielt, wenn man solchen im Geringsten beschädigte. Von solchen Pflanzungen ist auch das Dorf Lindenau bei Leipzig entstanden. Ueberhaupt war die Linde das Zeichen der Freien und Edlen, die Eiche aber das der Knechte.


401) Die Wahrzeichen von Leipzig.
J. Praetorius, gazophVLaCJ gaVDJVM. Leipzig 1667. in 8°. S. 153 sq.[WS 1]

Die alten Wahrzeichen der Stadt Leipzig waren ehemals die zwei vor und über dem Gewölbe der Communitätsküche im Paulinum gemalten Bratwürste (oder Hechte), das große eingemauerte Hufeisen an der Nicolaikirche unten an der Erde in einem kleinen viereckig ausgemauerten vergittertem Löchlein, der Esel mit dem Sack an der Wasserkunst beim Ranstädter Thore, dann der Umstand, daß man von dem Paulinum oder dem Thorwege des Gewandgäßchens die Thürme der Nicolai- und Thomaskirche zugleich erblickte, während man anderswo in der Stadt, man mochte sein wo man wollte, immer nur einen derselben sehen konnte, so wie das den leichtsinnigen Bankerottirern oder den dort nach dem Hochgericht hinausgeführten armen Sündern (hier hielt nämlich der Zug gewöhnlich an, um den aus dem Paulino tretenden Dominikaner, der den Delinquenten zu begleiten hatte, zu erwarten) zum Spott errichtete steinerne Bild am Grimmaischen Thore in der Pauliner Wand unter dem Leiterhäuslein (wo jetzt das dritte Haus von Felsche’s Caffeehaus


  1. Gemeint ist: Johannes Praetorius: Gazophylaci Gaudium: Das ist/ Ein Ausbund von Wündschel-Ruthen Oder sehr lustreiche/ und ergetzliche Historien Von wunderseltzamen Erfindungen der Schätze. Leipzig 1667, 496 S.
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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_349.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)