Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 357.jpg

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Friedrich vor Leipzig und Herzog Moritz bot alle junge Mannschaft zur Vertheidigung der Stadt auf. Auch die beiden Böttchergesellen traten in die Reihen und ein unglückliches Schicksal machte sie zu Kampfesnachbarn. Kaum hatte der böse Geselle den Liebhaber Dorchens hohnlächelnd neben sich wahrgenommen, als auch schon sein Entschluß feststand, sich seinen Nebenbuhler, der durch des sterbenden Vaters Hand mit dem Mädchen verlobt war, vom Halse zu schaffen, was ihm auch in der Dämmerung durch unbemerkten Meuchelmord gelang (14. Januar 1547). Der Feind vor den Thoren zog ab und der Mörder stürmte nach der Wohnung seines Meisters, um Dorchen mit der Nachricht, daß ihr Geliebter gefallen sei, fügsamer gegen seine Werbung zu machen. Aber hier trat ihm ein Ereigniß entgegen, das ihn und seine Rohheit mit Schrecken erfüllte, denn in dem Augenblicke, wo Dorchens Bräutigam durch seinen Mordstahl fiel, hatte eine 48pfündige Karthaunenkugel in Dorchens Stube geschlagen und ihr einen Arm genommen. Als der böse Geselle das Mädchen in ihrem Blute und Jammer erblickte, verließ er das Haus und kehrte nimmer wieder. Dorchen wurde geheilt und verlebte in stiller Trauer und geräuschloser Frömmigkeit noch einige 50 Jahre. Am 1. Februar oder 31. Januar 1599 starb sie, ward mit großer Feierlichkeit beerdigt und die Kugel, die sie so unglücklich machte, in der Wand des Gottesackers über ihrem Grabe eingemauert, wo sie noch jetzt zu sehen ist.[1]


410) Das Hufeisen an der Nicolaikirche zu Leipzig.
E. v. Felsthal (Steinau), des deutschen Volkes Sagenschatz. Schwäb. Hall o. J. 8. S. 275 sq. Im allg. Schäfer, Wahrzeichen, Bd. I. S. 18. fgg.

Diezmann, Markgraf zu Thüringen und Sachsen, und Friedrich der Gebissene, sein älterer Bruder, wurden von


  1. Vogel, Leipziger Annalen, S. 168 berichtet den Vorfall auch, jedoch ohne romantischen Beisatz und sagt, das Mädchen sei damals 15 Jahre alt gewesen und habe noch 52 Jahre, nachdem sie jenen Schuß erhalten, gelebt.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_357.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)