Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 366.jpg

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unzählige menschliche Gliedmaßen polterten aus dem Kamine herab, und fügten sich zu Gestalten zusammen, bis auf einmal der Saal gefüllt war. Nicht ohne Angst stand der Gast von seinem Ruhelager auf um zu sehen, was noch kommen werde, und blickte stumm auf die wunderbaren Erscheinungen hin. Alsbald bildete sich eine große Tafel inmitten des Gemachs, goldene Weingefäße, prachtvolle Pokale und Leuchter, nebst kostbaren Gerichten erschienen in einem Augenblicke darauf, und nachdem Alles geordnet war, nahete einer aus der Gesellschaft und lud den Fremden ein, Theil zu nehmen an dem festlichen Mahle. Mit Grauen folgte er der Einladung, ergriff den dargebotenen Becher um zu trinken, und stellte ihn zitternd wieder auf die Tafel hin. Das Entsetzen überlief ihn, er schlug ein Kreuz und rief den Namen Jesu, und plötzlich verlöschten die Lichter, es wurde dunkel und still im Saale, die ganze nächtliche Tafelgesellschaft war verschwunden. Bei Tagesanbruch stand aber die Festtafel noch im Saale mit allen ihren kostbaren Pokalen, Bechern und Tellern. Der Thüringer erkaufte die Burg, gelangte in den Besitz aller übrigen Schätze der Geister und hauste lange glücklich auf der Funkenburg.


419) Verschiedene Gespenster zu Leipzig.
Mündlich.

In der Klostergasse neben der frühern Post soll sich dann und wann eine Nonne zeigen, welche bis an das sogenannte Barfußpförtchen geht und dort verschwindet. Ferner erzählt man von einem Mönche, der an gewissen Tagen des Jahres um Mitternacht in die Neukirche geht. Ebenso hat von der Nonnen- bis zur Barfußmühle sich zu Zeiten eine weiße Gestalt gezeigt, welche in der Volkssprache „Federsuse“ genannt ward. Zur Zeit des Leipziger Aufstandes von 1830 erschien eine weiße Frau auf dem Neuen Kirchhofe an dem sogenannten Geisterpförtchen, und im Schrötergäßchen, welches ohngefähr nur 4 Ellen breit ist und vom Postplatz zum Windmühlengäßchen

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_366.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)