Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 404.jpg

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befand sich früher ein Stein, auf welchem eine Kuh mit einem Milcheimer abgebildet war, der hieß der Melkstein und sollte anzeigen, daß einst, als die Pest in Pegau wüthete und Niemand vom Lande in die Stadt zu gehen sich getraute, bis hierher die Kühe getrieben und hier gemolken wurden, worauf die Städter die für sie hingestellte Milch abholten und nach Pegau schafften.


465) Die tapfere Gastwirthin zu Quesitz.

Was unter Umständen eine Frau zu leisten vermag, dafür spricht das Beispiel der Wirthin von Quesitz, einem Dorfe in der Nähe von Markranstädt. Dieselbe lebte in der Mitte des 17. Jahrhunderts und galt weit und breit für ein so böses Weib, daß Jedermann sich hütete, mit ihr in Streit zu gerathen. Von kurzen Worten ging sie gewöhnlich bald zur That über und wehe dem Opfer, welches unter ihre Fäuste gerieth, denn in der Wuth kannte die Wittwe keine Grenzen und es waren Beispiele vorhanden, daß sie Mannsleuten Rippen zertreten und Gliedmaßen gebrochen hatte. Bei ruhigem Blut war sie indeß eine gute, fromme Frau und namentlich Wohlthäterin der Armen. Man mußte sich eben nur in Acht nehmen, sie zu erzürnen. Dieses Unglück aber passirte dem Herzogl. Sachsen-Weißenfelsischen Reiter Stephan Pietzsch. Dieser befand sich im Geleit seines Herrn, der nach Dresden reisen wollte und auf dem Rittergute zu Quesitz, das damals Hansen von Dieskau gehörte, einkehrte, weil an dem Wagen eine Achse gebrochen war. Die herzogl. Reiter wurden im Gasthofe einquartiert und mit ihnen auch Pietzsch, welcher durch die von der Wirthin bewiesene aufopfernde Gastfreundschaft so übermüthig wurde, daß er gegen die Hausfrau mit Schnurrpfeifereien vorzugehen begann, welche auf deren Antlitz einen bedenklichen Ernst hervorriefen. Als aber beim Haferfassen der Reiter abermals einen Schalksstreich wagte, brannten auf seinen bärtigen Wangen zwei Backpfeifen, wie er sich solche von einer menschlichen Hand

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 404. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_404.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)