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494) Woher das erzgebirgische Sprichwort komme: je, daß Dich der Bär hertze!
Curiosa Sax. 1731. S. 47 sq.

Im J. 1631 hat eine Jungfer nicht weit von Hundshübel das Vieh von Waldhäusern auf die Weide getrieben, da sie sich denn hingesetzt und nach gebirgischer Art um sich die Zeit zu vertreiben geklöppelt. Ehe sie sich’s nun versieht, kommt ein großer Bär hinter sie geschlichen, daß sie ganz ungemein erschrickt und nicht weiß, was sie machen soll. Der Bär thut ihr aber nichts, sondern beriecht sie und tatschet sie mit seinen Tatzen ganz sauber an, gleich als wüßte er, was für einen Respect er dem Frauenzimmer schuldig sei. Da nun der zottige Bär sich ganz höflich gegen sie aufführt und sie hertzen zu wollen Anstalt macht, entschließt sich das Mädchen kurz und läuft unter das Vieh. Dieses drängt sich zusammen und geht auf den Bären los, bis das Mädchen schreit und ihre Eltern nebst andern Waldleuten zu Hilfe ruft. Da nimmt der Bär reißaus, das Sprichwort aber ist nachgehends beständig geblieben und von Jedermann um eine Verwunderung auszudrücken gebraucht worden! „je, daß Dich der Bär hertze!“


495) Der Frau-Mutterstuhl zu Oberforchheim.
Poet. beh. v. Fr. v. Biedermann a. a. O. S. 24 sq.

Auf dem alten Schlosse Oberforchheim am Haselbache an der Straße von Freiberg nach Annaberg stand bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts auf dem Oberboden in einer Kammer ein alter Großvaterstuhl, den hieß man der Frau Mutter Stuhl, und auf diesem lag eine hölzerne Statue, die aber sehr stark vergoldet war und ein kleines Männchen vorstellte. Diese zwei Gegenstände kannte Jedermann im Schlosse und im Dorfe und Alle hatten eine gewisse heilige Scheu vor denselben, denn man sagte, sie seien die Palladien des Rittergutes, und wenn Jemand den Stuhl von seiner Stelle rücke oder das Männchen angreife und in

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_426.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)