Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 450.jpg

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ihm plötzlich eine zwerghafte Geistergestalt entgegen und winkte ihm zu folgen. Nicht ohne Grauen folgte Jahn. Ueber Stock und Stein führte ihn der Zwerg, bis sie endlich an eine Höhle kamen, die sich, sobald sie eintraten, mächtig erweiterte und ein prächtiges Ansehen gewann. Die Wände waren von Silber, die Tische und Stühle von Gold. Tausend krystallene Leuchter mit langen Kerzen verbreiteten einen blendenden Glanz über das ganze Gewölbe. Zwölf Männer in stattlichen Rittergewändern mit langen Bärten saßen an einer langen Tafel und speisten. Der Zwerg lud den erstaunten Jahn ein, sich zu setzen und am Mahle Theil zu nehmen. Der Hunger besiegte die Schüchternheit. – Jahn setzte sich und aß und trank von dem, was ihm der Zwerg bot. Nie noch hatte er so köstlich getafelt; er ward erquickt und allmälig getrosten und frohen Muthes. Die zwölf Männer schienen sich über ihn zu freuen und geboten dem Zwerge, sein Ränzel zu füllen. Mit herzlichen Worten schied Jahn von seinen gastfreien Wirthen. Der Zwerg führte ihn aus der Höhle, die, wie Jahn jetzt bemerkte, im Greifenstein war und geleitete ihn auf die Straße, welche nach Böhmen führte und auf welcher Jahn sich nicht mehr verirren konnte. Dann verschwand er. Als nun Jahn sein Ränzel umpackte, um zu sehen, womit ihn die freigebigen Geister beschenkt hatten, da fand er in demselben eine ziemliche Anzahl Barren gediegenen Goldes und Silbers. Voller Freuden gelobte er, dasselbe recht gut anzuwenden. Er baute also in der Gegend des Freiwaldes bei Thum mehrere Häuser, welche er armen Leuten ohne Miethzins überließ und that auch sonst allerlei Gutes an Kranken und Armen. Später, als die Zahl jener Häuser sich vermehrte und ein ganzes Dorf daraus entstand, ward dasselbe ihm zum Andenken Jahnsbach genannt.

IV. Die Felsengruppe des Greifensteins zeigt an vielen Stellen Spuren von Mauerwerk, und da man auch innerhalb und bei demselben Pfeile, Eisenwerk und dergl. gefunden hat, so scheint die Vermuthung nicht unwahrscheinlich, daß jene einst ein Raubschloß in sich gefaßt habe. Das Volk

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 450. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_450.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)