Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 458.jpg

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einander bis ins Dorf, als sie aber an das Haus Günzers gekommen waren und ihnen die Tochter desselben, Katharina die Thür geöffnet hatte, stieß diese bei dem Anblicke des fremden Gastes ein furchtbares Wehgeschrei aus, ließ vor Schreck die Lampe fallen, welche sie in der Hand trug, und als der bekümmerte Vater dieselbe wieder angezündet und seine in Ohnmacht gefallene Tochter wieder zum Leben gebracht hatte, sah er erst, daß jener verschwunden war. Er hatte nun nichts Eiligeres zu thun, als seine Tochter zu fragen, warum sie so erschrocken sei, allein diese antwortete, es sei der Teufel gewesen, der sie als Braut heimführen wolle; es habe ihr nämlich vergangene Nacht geträumt, sie liege im Walde und es komme ein Mann, ganz so wie der eben verschwundene Fremde, auf sie zu und nenne sie seine Braut, küsse sie und lasse dann bei seinem Weggehen sich durch seine Hörner, Schwanz und Pferdefuß als den Teufel erkennen. Der alte Günzer war eben daran, sie zu trösten, da erblickte er auf dem Tische ein Blatt Papier, auf welchem geschrieben stand: „in 9 Wochen werde ich um Mitternacht ans Fenster pochen und meine Braut heimführen!“ Nun war kein Zweifel mehr, daß der Traum in Erfüllung gegangen war.

Vater und Tochter verlebten nun die 9 Wochen in Angst und Sorgen, sie beteten zwar von früh bis Abends, gingen auch zum Abendmahl, allein eine innere Stimme sagte ihnen, daß der Böse nicht so leicht von ihnen lassen werde. Und so war es auch, als die Mitternachtsstunde des letzten Tages jener Frist verstrichen war, da pochte es ans Fenster und schrie mit schrecklicher Stimme: „Braut heraus, Braut heraus!“ Günzer aber rief laut Gott um Beistand an und der Gottseibeiuns verschwand unter Donner und Blitz mit den Worten: „noch 9 Tage Frist, dann bist Du meine Braut, oder Eure Hütte steht in Flammen!“

So verstrichen abermals neun Tage unter Angst und Sorgen, allein wieder kam die gefürchtete Mitternachtsstunde heran und mit dem zwölften Schlag klopfte es an das Fenster und rief: „heraus die Braut, sonst brennt das Haus!“

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 458. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_458.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)