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der, weil er seine alte Mutter, die er bestohlen und, als sie ihm den Diebstahl vorgeworfen, gemißhandelt und mit Ermordung bedroht hatte, von dieser verflucht worden war. Dadurch war denn jene alte Sage bewiesen, daß dem, der sich an seinen Eltern vergeht, die Hand aus dem Grabe wächst[1].


522) Der Traum von den goldnen Eiern.
Ziehnert Bd. III. S. 190.

Als noch dicke Waldung den Bielberg und seine Nachbarn deckte, lebte im Dorfe Frohnau ein Bergmann, Daniel Knappe, fromm und brav, aber blutarm, denn er hatte sieben Kinder und ein krankes Weib in seiner Hütte. Er wußte seiner Noth kein Ende und war nahe daran, an der göttlichen Hülfe zu verzweifeln. Da im Traume erschien ihm einst ein Engel Gottes und sprach zu ihm: „gehe morgen in den Wald am Fuße des Schreckenberges. Dort ragt eine Tanne hoch über alle Bäume des Waldes hervor. In ihren Zweigen wirst Du ein Nest mit goldnen Eiern finden: dies ist Dein, brauche es wohl!“

Als Knappe am andern Morgen erwachte, erinnerte er sich des Traumes, und ging hinaus in den Wald, das Nest mit den goldnen Eiern auszunehmen. Bald hatte er die Tanne in der Nähe der Wolfshöhle gefunden, und kletterte rasch in ihren Aesten bis in den höchsten Wipfel hinauf, fand aber nichts. Traurig, daß ihn der Traum getäuscht habe, stieg er wieder hinab und setzte sich auf die Wurzeln des Baumes nieder, um auszuruhen. Er sann hin und her, und dabei fiel ihm ein, daß unter den Zweigen wohl auch die Wurzeln der Tanne verstanden sein könnten. Die Vermuthung ward bald zum festen Glauben, und eilig lief er und holte aus seiner Hütte das Gezäh zum Schürfen. Eifrig


  1. Beispiele s. b. Garmann, De miraculis mortuorum p. 91. Iccander, Sächs. Kernchronik. LVIstes Couvert S. 477. Kornmann, De mirac, mort, P. III. c. 47–50.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_464.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)