Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 519.jpg

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ihrem Vater zusammen und vertrieben sich die Zeit mit heiteren Scherzen und Spielen. Da begab es sich einst am Andreasabend, daß das junge Volk auch wieder beisammen war und im Scherz darauf kam, die Zukunft zu befragen. Man schaffte Blei herbei und ein Jedes versuchte sein Glück mit Gießen. Als nun die Reihe auch an die schöne Fischerstochter kam, da spritzte auf einmal beim Guß helles Feuer aus dem Wasser, das Blei zerfuhr und nahm sich auf dem Wasser wie Blutstropfen aus. Das Mädchen schrie laut auf und Alles schwieg bestürzt ob des traurigen Anzeichens. Endlich schlug ihr Bräutigam vor, das Schicksal noch einmal zu befragen, nämlich nach dem Pöhlwasser zu gehen und dort Reiser zu suchen. Zwar wollte das Mädchen nicht mit fort, allein durch Zureden ließ sie sich endlich bewegen, mitzugehen, alle ihre Begleiter brachen sich ihre Zweige, als aber das schöne Trudchen nach einem derselben langen wollte, glitt sie aus und ein Nix zog sie hinab in die Fluthen, der am ganzen Leibe blau aussah, auf dem Haupte aber ein Krönlein trug. Man kann sich die Verzweiflung des Bräutigams, der ihr nachspringen wollte, und des nun kinderlosen greisen Vaters vorstellen. Diesen entrückte der Tod bald seinen irdischen Leiden, jener aber irrte jede Nacht am Ufer der Pöhl in halbem Wahnsinn herum und behauptete, er sehe seine Braut in blauer Nixentracht aus der Fluth auftauchen, sie breite die Arme nach ihm aus und rufe ihm zu „in einem Jahre werde sie wieder mit ihm vereinigt sein“, dann werfe sie ihm feurige Küsse zu, die wie die Sternlein am Himmel glänzten, allein er vermöge sie nicht zu erhaschen. So verging ein Jahr, der sonst so blühende Jüngling war zum Schatten zusammengeschwunden, und als wiederum die Andreasnacht kam, da war er an seinem gewöhnlichen Orte. Allein dieses Mal sah er seine Braut nicht mehr aus den Fluthen winken, als Leiche lag sie im Sande, und als der andere Morgen kam, da fand man ihn neben ihr todt liegen und begrub Beide in einem Grabe. Seit jenem Tage sieht man dort unzählige Irrlichter auf- und abfliegen, die Manchen

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 519. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_519.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)