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überbrachte, könnte mir in der Sache einiges Licht geben. Ich ließ ihn zu mir rufen, und fragte, von wem er den Brief, den er Vormittage brachte, bekommen hätte. Er schien über diese Frage sehr verwirrt, ein neuer Grund mich in meinen Gedanken zu bestärken. Er wollte nicht mit der Sprache heraus. Da ich dieses merkte, setzte ich desto heftiger mit Fragen an ihn, und er schien oftmals zu zweifeln, ob er sie mit ja oder nein beantworten sollte. Dieses brachte mich auf die Vermuthung, daß ihm eine Rolle war aufgetragen worden, die er aber sehr schlecht spielte. Bald hatte ihm seine Tochter den Brief ins Haus gebracht, bald hatte sie ihm ein Unbekannter gegen Abend zum Fenster hinein gegeben. Bei diesem letzten Geständniß blieb er endlich. Er hat eine sehr schlechte Gabe zum Lügen, und es ist ein Glück für ihn, daß er in dem jetzigen Kriege nicht zu einem Spion ist gebraucht worden, das wäre für ihn der nächste Weg zum Galgen. Wenigstens trieb er dieses Handwerk gewiß nicht so lange als Käsebier.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N *** in Briefen entworfen. Band 2. Michael Gottlieb Griesbach, Eisenach 1761, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grandison_der_Zweite_2.pdf/278&oldid=- (Version vom 1.8.2018)