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„Wie kannst du so etwas sagen?“ fielen die Kaufleute mit Lebhaftigkeit ein. „Wie kannst du denken, daß wir so schlechte Kerle sind, daß sie den Dank schuldig bleiben!“ –

„Du siehst unsere Not! Kannst du uns helfen, so zaudere nicht!“ –

„Ich will den Versuch denn machen!“ entschied Gretter. Aber, ich wiederhole es noch einmal, eine Ahnung sagt mir: „Nichts Gutes werd’ ich hieraus ernten!“ –

Er warf seine Kleider und Waffen ab, legte weite Beinkleider an, that einen Friesmantel um, den er, mit einem Bastseil aufschürzend, fest um die Lenden gürtete. Endlich griff er nach einem Topf, um den Feuerbrand darein zu bergen, befestigte ihn an einer Schnur und warf diese Schnur um seinen Hals.

Dann stieß er die Thüre auf und trat in die finstere Nacht hinaus.

Der Sturm pfiff, die Schneeflocken fielen, das Meer schlug schwer an das Gestade.

Gretter warf sich in die Flut. Man hörte, wie er mit wuchtigen Armen die Wellen teilte.

Alle drängten sich an die Thür und starrten in die Finsternis hinaus und lauschten.

„Er ist von Sinnen,“ murmelten die einen. „Der kehrt nicht wieder,“ sagten die andern. „Die Wellen werden sein Grab! Horch! Wie sie, rauschend, schon sein Sterbelied singen!“ –

Fröstelnd schlugen sie die Thüre zu und drückten sich wieder in ihre Ecken.

Gretter schwimmt. Bald liegt sein Leib tief unten in den sich brechenden Wellen, bald hoch oben auf dem Kamm der schäumenden Flut. Aber er teilt mit Macht die Wogen. Die Sterne über ihm, das Feuer am jenseitigen Strande sind seine Führer. So hält er seinen Cours. Der Schnee gräbt sich in sein Haar. Eiszapfen hängen sich an seinen Bart. Er achtet es nicht. Er verfolgt sein Ziel, er erreicht es und steigt an’s Land.

Fester Boden wieder unter seinen Füßen! – Er schüttelt sich, er streckt die Glieder. Aber sein Friesmantel, vom Wasser voll gesogen, ist zu Eis erstarrt. Im weiten Bogen steht er bauschig ab von seinen Schultern, von seinen Schenkeln, und giebt ihm einen riesenhaften Umfang. Das Haar mit Schnee durchsetzt, Eistroddeln an dem Bart, so steht er da, mehr einem Ungetüm der Meere, als einem Menschen gleich.

Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/113&oldid=- (Version vom 1.8.2018)