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Der Bauer war schon bejahrt und in den Waffen wenig geübt. Darum wandte er sich in seiner peinlichen Verlegenheit an Gretter, der mit dem Hauswirt auf den Hof hinaus getreten war. Er stieß ihn an und fragte ihn leise: „Was rätst du mir? – Was soll ich thun?“ –

Gretter antwortete in derselben Weise leise: „Thue nichts, was gegen die Ehre ist!“ –

Da Einar sich besann, und zu antworten zauderte, fuhr Snaekoll dazwischen: „Spute dich, Bauer! – Oder, was rät dir der lange Lümmel da, der dir in’s Ohr zischelt? – Vielleicht gelüstet’s ihn, einen Tanz mit mir zu wagen!“ –

Gretter erwiderte: „Der Bauer und ich, wir gleichen einander. Beide sind wir von Natur etwas zaghaft!“ –

Snaekoll rief: „Bange soll euch erst werden, wenn ich anfange zu rasen!“ –

Darauf Gretter: „Hab ich’s gesehen, so werd’ ich’s ja wissen!“ –

Der Berserker fing nun an zu brüllen und zu heulen, wie ein Wolf, nahm den Rand seines Schildes in seinen Mund und biß darauf mit seinen Zähnen umher, daß der Schaum ihm aus dem Munde quoll.

Gretter sah sich den wütenden Kerl an, näherte sich ihm unvermerkt, und stieß plötzlich mit seinem Fuße, von unten her, so stark gegen des Berserker herabhängenden Schild, daß dessen obere Ecke welche der Räuber zwischen den Zähnen hielt, ihm tief in die Mundhöhle eindrang.

So mächtig war der Stoß, daß die Kinnlade des Berserkers davon barst und der Unterkiefer schlaff auf die Brust herabfiel.

Diesen günstigen Augenblick benutzend, packte Gretter mit der linken Hand nach Snaekolls Helm, riß den ganzen wütenden Kerl vom Pferde herunter, zog mit der rechten Hand sein kurzes Schwert, und hieb den Hals des Unholdes mitten durch, sodaß der Kopf vom Rumpfe sich trennte.

Als Snaekolls Bande dieses Ende ihres Führers sah, floh sie nach allen Richtungen wild auseinander.

Gretter hielt es nicht für der Mühe wert, diese Burschen zu verfolgen, denn er sah wohl, daß sie Memmen waren.

Der Bauer Einar dankte dem Gretter in herzlichen Worten für diese rettende That, welche er ebenso rasch, wie geschickt, ausgeführt hatte.

„Nun bleib noch länger hier bei uns!“ Das war die Bitte aller Hausgenossen.

Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/123&oldid=- (Version vom 1.8.2018)