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„Man hat mir gemeldet, Gretter, daß du jetzt weniger friedlich dich benimmst, und selbst Leute beraubst, die sorglos ihres Weges ziehen. Das schickt sich nicht für einen Mann aus so guter Familie, wie du es bist. Lägen solche Klagen gegen dich nicht vor, dann könnte man deiner Sache sich nachdrücklicher annehmen. Aufnahme dir zu gewähren, ist mir nicht möglich. Ich bin der Gesetzessprecher des Landes, und würde des Landes Gesetze nicht sprechen, sondern brechen, wenn ich geächteten Männern mein Haus öffnete! – Darum rate ich dir, suche solche Gegenden auf, wo du nicht nötig hast, um zu leben, andere zu berauben!“ – –

„Dein Rat ist gut, Skapte, und ich werde ihn befolgen,“ sagte Gretter. „Ich würde ja alle Menschen meiden, und mich in die äußerste Einsamkeit vergraben, aber es ist mir schier unmöglich, in der Dunkelheit allein zu sein. Und jetzt kommen wieder die kurzen Tage und die langen Nächte!“ –

„Gretter,“ sprach Skapte, „ein Geächteter kann nicht leben nach seinen Wünschen. Du hast Unglücksgefährten, thu’ dich mit einem von diesen zusammen. Aber sei vorsichtiger, als am Isafjord, wo Sorglosigkeit dir beinahe den Tod gebracht hätte.“

Nach diesem Rat verabschiedete sich Gretter.

Er ging nach dem Borgarfjord hinab, und sprach auf Gilsbacka vor bei seinem Freunde Grim Thorhallsohn. Hier hatten sie einst mit Svein am Trinktisch gesessen, und die lustigen Reime über die Södulkolla zusammengeflochten. Wie hatte seine Lage seitdem sich doch verschlechtert! – Die Acht nicht aufgehoben! – Der Preis auf seinen Kopf verdoppelt! Die Zahl seiner mutigen Freunde, welche Lust hatten, für ihn einzusetzen Habe und Leib, schmolz zusehends zusammen. Auch Grim Thorhallsohn fand es zu gefährlich, auf längere Zeit ihm den Schutz seines Daches anzubieten. Denn Thorer und Thorodd Drapastuf hatten nach dem Gesetz das Recht, und nicht minder auch den Willen, jeden zu überfallen, der den Geächteten herbergte.

„Ich kenne einen Platz für dich, Gretter, wo du hausen magst, der dir Schutz gegen einen Uberfall, und zugleich Lebensmittel zum Unterhalt bietet.“

„Welcher ist das?“ fragte Gretter.

„Das ist die Arnarvatnsheide mit dem Fiskevatn, einem fischreichen Binnensee. Dort baue dir deine Hütte auf, und nimm dir einen Knecht!“

„So will ich es machen,“ sagte Gretter. „Ich siedle mich dort an!“ –

Damit schieden sie.

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/158&oldid=- (Version vom 1.8.2018)