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„Wurdest du getäuscht?“ fragte Rothbart.

„Und wie!“ entgegnete Gretter. „Vergangenen Herbst kam einer zu mir; er wand sich wie ein Wurm, glatt an Worten, einschmeichelnd an Geberden; aber im Herzen spann er böse List, und, als er die Gelegenheit gefunden glaubte, holte er zum Schlage aus, mich zu töten!“ –

„Wie niederträchtig!“ warf Rothbart ein. „Ich bin kein Tugendheld! – Nein! – Ich gesteh’ es ein! – Ich that viel Böses. – Ich schlug Leute tot. – Aber, so großer Niedertracht wär’ ich doch nicht fähig, daß ich meinen eignen Herrn verraten könnte. – Frag, wen du willst, nach mir! – Das thät’ ich nicht!“ –

„Deine Worte klingen gut!“ – antwortete Gretter. „Doch wer kennt des Menschen Herz?“ –

„Außerdem, bedenke Gretter,“ fuhr Rothbart überredend fort, „mich treibt dieselbe Not, wie dich! – Wo soll ich bleiben? – Ein Leben auf beständiger Flucht, wo jeder einen totschlagen kann, wie einen räudigen Hund. Sich stehlen, hier eine Hand voll Brot, dort ein Wams, dort eine Waffe; das halte aus, wer mag!! – Ich sehne mich nach Frieden! Gieb mir einen Winkel in deiner Hütte, und ich will dir dienen wie ein Hund!“ –

„Deine Worte klingen gut,“ wiederholte Gretter. „Aber, wer so getäuscht wurde, wie ich, der mißtraut!!“ – –

„Nimm mich zuerst auf Probe,“ bat Rothbart weiter. „Und findest du den geringsten Grund zum Verdacht bei mir, dann jag’ mich fort!“ –

„Unter diesem Beding will ich’s mit dir versuchen!“ – schloß Gretter das Gespräch. „Doch wisse, es ist dein Tod, wenn das geringste Anzeichen mir verrät, daß du mich täuschen willst!“ –

So trat denn Thorer Rothbart in Gretters Dienste. Und dieser sah bald, daß sein neuer Knecht nicht bloß zweier Männer Kraft besaß, sondern, daß er auch die Bereitwilligkeit selber war. Er that pünktlich, was ihm befohlen ward, ja er bedachte schon voraus, was fehlen könnte, und kam den Wünschen Gretters oft zuvor. Dieser hatte früher nie ein so gemächliches Leben geführt als jetzt. In dieser Art hielt sich Thorer Rothbart zwei Winter bei Gretter auf. Aber Gretters scharfe Wachsamkeit hatte bisher jede Gelegenheit abgeschnitten, ihn zu überrumpeln.

Da wurde Rothbart dieses Lebens auf der Heide müde, die Ungeduld übermannte ihn, und festen Willens, den Plan, mit dem er gekommen

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Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/163&oldid=- (Version vom 1.8.2018)