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„Wer stört hier die Totenklage einer Tochter?“ fragte sie vorwurfsvoll.

„Ich folgte deinem Vater von der Arnarvatnsheide herauf,“ sagte Grim.

„Du folgtest einem wunden Manne! – Sag an, wer schlug die Wunde?“ –

„Meine Hand!“

„Deine Hand!?“ – rief die Reifriesin und richtete sich drohend auf. „Warum kommst du denn her nach solcher That? Willst du auch mich töten?“ –

„Nein, ich kam hierher, um dich zu trösten!“ sagte Grim mit weichem Klang in seiner Stimme. „Ich hörte deines Vaters Sterbelied, und sah deinen Schmerz!“ –

„Es ist vermessen, mit der Hand trösten zu wollen, welche die Wunden schlug!“ –

„Sie schlug sie in der Notwehr! – Ich suchte nicht den Streit. Ich verteidigte nur, was mein war. Es war die dritte Nacht, daß ich um den sauren Schweiß meiner Tagesarbeit betrogen wurde. Hättest du es ruhig mit angesehen, wenn jemand dich bestahl? – Gieb dem Recht die Ehre!“ –

„Ich hätt’s nicht!“ – sagte sie stolz. „Unrecht bringt Unheil! Es bleibt wahr!“ –

„Meine Hand schlug ungern! Laß dir’s sagen! Und, da ich nun in deinem Schmerze hier dich sah, wünscht’ ich zwiefach jenen Schlag zurück!“ –

Sie trat auf Grim zu, und reichte ihm die Hand.

„Ist so dein Herz gesonnen, so laß uns Frieden schließen!“

Grim schlug in die dargereichte Rechte ein, und sagte:

„Jeder muß fort von hinnen, wenn seine Stunde schlägt! – Auch uns wird sie schlagen!“ –

Grim half der Reifriesin nun ihren Toten beklagen, und seinen Leib bestatten.

Er blieb mehrere Tage in der Höhle, und lernte, am Feuer mit der Riesin sitzend, die Hallmunds-Kvida aus ihrem Munde. Dann stieg er wieder nach der Arnarvatnsheide hinab, und blieb dort noch den folgenden Winter.

Eines Tages kam Thorkel Eyjulfsohn herauf, um Grim zu töten.

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/194&oldid=- (Version vom 1.8.2018)