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durch eine Felsenschlucht sich zwängend, mit mächtigem Wasserfall in die Tiefe.

Besitzer dieses Hofes war Thorstein mit dem Zunamen der Weiße, sein Weib war Steinvoer, beide noch jung verheiratet, und im Besitze eines Töchterchens von zartem Alter.

Reich an Ertrag, und herrlich in der Lage, hatte dieser Hof doch einen Nachteil; es spukte auf demselben.

Und bald sollte der umherpolternde böse Geist auch ein schweres Opfer verlangen.

Es war um die Weihnachtszeit, und die Hausfrau Steinvoer fühlte ein Verlangen, in der heiligen Christnacht dem Vespergottesdienste beizuwohnen, welcher in der Kirche zu Eyjadalsau abgehalten wurde. Diese Kirche lag nach Norden zu thalabwärts, und zwar auf der anderen Seite des Flußes, sodaß die Leute von Sandhaugar über den Fluß setzen mußten, um zu ihrer Kirche zu gelangen, was im Winter oft große Schwierigkeiten machte.

Dennoch wollte es Steinvoer! Die Kirche im Schnee, das helle aus den Fenstern quellende Licht, der fromme Gesang, das kräftige Gotteswort mit seinen das Herz erquickenden Verheißungen, das alles hatte zu viel Anziehungskraft für sie. Sie mußte hin.

Zudem war der Hof zu Sandhaugar dem Pfarrhofe, der neben der Kirche zu Esjadalsau lag, eng befreundet.

Hier waltete seines Berufes der christliche Priester Namens Stein, verheiratet, ein guter Hausvater und ein wohlhabender Mann.

Auf diesem Pfarrhofe konnte Steinvoer bequem übernachten, um nicht nach des Gottesdienstes Schluß bei Dunkelheit den beschwerlichen Rückweg zu machen.

Sie ging. Aber der Hausherr blieb daheim.

Am Abend legte sich alles auf Sandhaugar zu Bette, was nicht mit der Hausfrau zur Kirche war. Auch Thorstein mit dem Zunamen der Weiße legte sich zur Ruhe.

Um Mitternacht ging ein großes Gepolter durch das Haus, und alles fuhr erschreckt aus den Betten. Doch wagte keiner von dem Gesinde sich hervor, aus Angst vor dem Gespenst.

Der Morgen graute, und bei Zeiten kehrte die Hausfrau zurück. Allein der Hausherr war aus seiner Schlafkammer verschwunden, und niemand wußte, wo er geblieben sei.

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Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/199&oldid=- (Version vom 1.8.2018)