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Kapitel 41.

Ein Zwischenspiel.

Snorre, der Gode, auf dem Hofe Tunga am Hvammsfjord, hatte einen erwachsenen Sohn Thorodd. Dieser hatte sich gegen seinen Vater durch Ungehorsam vergangen, und erhielt dafür folgende Strafe. „Du verläßt mein Haus, und ich befehle dir, nicht früher zurückzukehren, bis du einen geächteten Mann auf Island getötet hast!“ Der Sohn, welcher wußte, daß des Vaters Wille unabänderlich sei, verließ den Hof, um dieser Weisung zu folgen.

Der Staat als solcher vollzog in Island die über die Geächteten verhängte Strafe nicht, besaß auch keine Organe dazu. Er überließ dies privaten Händen, den zunächst Gekränkten, oder auch den Fernerstehenden, wer es eben thun wollte. Niemand war verpflichtet einen Geächteten, dem er begegnete, zu töten; aber jeder durfte es thun, wenn er Lust, Mut und Mittel dazu besaß. That er es, so ging er selbstverständlich straflos aus.

Thorodd zog also auf seines Vaters, des Goden, Befehl aus, einen Geächteten zu töten. Dies war die ihm auferlegte Buße. Nun wohnte nicht weit von Tunga auf Breidabolstad an der Südküste der Hvammsfjord eine Witwe, Namens Geirlaug, deren Schafhirte geächtet war, weil er im Streit einen Mann verwundet hatte. Dieser Hirte war ein noch junger Mensch.

Thorodd erfuhr davon, und ritt nach Breidabolstad hinüber.

Die Hausfrau empfing ihn freundlich, und fragte nach seinem Begehr.

„Ich suche deinen Schafhirten!“ –

„Was willst du von ihm?“

„Ich will ihn töten!“ –

„Warum?“

„Er ist ein geächteter Mann! –

„Das ist er,“ sagte die Hausfrau. „Aber du wirst dir geringen Ruhm erwerben, wenn du einen Schafhirten, und dazu einen so jungen Menschen, vom Leben zum Tode bringst; du ein so starker und vornehmer Mann!“ –

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/220&oldid=- (Version vom 1.8.2018)