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Öffnung im Dach führte den Rauch hinaus, und das Licht herein. Durch die geöffnete Thür drang die frische Luft, Fenster gab es nicht. Diese Hütte war zugleich Schlaf- und Feuerhaus. Da die Insel ganz holzarm war, mußte das erforderliche Bauholz vom Festlande her verschafft werden. Hier half wiederum das mütterliche Gold, und Thorwald auf Reykir öffnete bereitwillig seine Hand, um zu geben, und zu empfangen.

Über Reykir, dessen Leute Gretter sich stets zu Freunden hielt, empfing er auch fortlaufend Kunde aus der Welt. Freilich mußte Thorwald in Rücksicht auf seine Nachbarn, welche sämtlich dem Gretter feind waren, mit äußerster Vorsicht zu Werke gehn. Die Verbindung fand darum in Pausen, und stets zur Nachtzeit, statt. So trotzten die Brüder dem Winter in einem verhältnismäßig warmen und behaglichen Nest. Illuge, dem dieses ganze Leben neu und reizvoll erschien, war von munterster Laune, und unterhielt seinen Bruder auf das Beste, ihm die dunklen Stunden der langen Abende kürzend.

Das Leben hier war auch nicht ohne Hoffnung. Denn, wenn es Gretter gelang, sich auf der Drang-ey noch zwei bis drei Jahre zu halten, dann war er ja frei.

Nach Landes Gesetz und Brauch galt nämlich die Strafe der Ächtung für verbüßt, wenn der Geächtete 20 Jahre lang sich unstät und flüchtig gehalten hatte, ohne getötet zu werden.

Der Frühling zog nun in das Land ein. Der letzte Rest von Schnee auf der Drang-ey zerschmolz, das junge Gras sprießte kräftig auf, laue Winde wehten.

Vor ihrer Hütte stehend, badeten die beiden Brüder mit tiefstem Behagen ihre Brust im warmen Sonnenschein.

„Weißt du, Bruder, ich will mir einen Scherz machen,“ begann Gretter. „Der Winter war so lang, und ich bedarf der Zerstreuung!“ –

„Das wäre?“ fragte Illuge.

„In Hegranes sammeln sich jetzt die Fjordlaute zum Thing. Ich hörte es von den Knechten auf Reykir. Dort will ich hin, und mich unter sie mischen!“ –

„Und wenn sie dich erkennen?“

„Ich werde mich verkleiden!“ –

„In welcher Maske?“

„Als Bettler!“

„Dennoch ist es möglich, daß man dich erkennt!“ –

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/230&oldid=- (Version vom 1.8.2018)