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scheint es mir stark entzündet und geschwollen. Laß uns Licht anzünden!“ –

Illuge verließ das Bett, fachte die Glut auf der Feuerstätte an, und entzündete an ihr einen Holzspan. Damit leuchtete er dem Gretter, welcher die Bettdecke zurückgeschlagen hatte.

Das Bein war in der That stark angeschwollen, entzündet, und sah ganz blau-schwarz aus. Die gestern fast schon zugeheilte Wunde war über Nacht wieder aufgebrochen, und eiterte stark. Gretter empfand so heftige Schmerzen an diesem Beine, daß er keinen Augenblick stille liegen konnte, und verbrachte den Rest der Nacht schlaflos.

Illuge hatte sich an des Bruders Bett gesetzt, tröstete, und pflegte ihn.

„Wir müssen uns darauf vorbereiten, mein Bruder,“ sagte Gretter, „daß diese Wunde unheilbar ist, denn sie ist durch Zauberei verursacht. Das Weib hat mir den Denkzettel zurückgeschickt, den ich ihr gab. Der Steinwurf ist gerächt.“

„Mir ahnte gleich Unheil, als ich die Hexe unten im Boot sah,“ sprach Illuge.

„Alles wird nun zu Ende gehen,“ sagte Gretter düster.

Er versank in Sinnen, welches zu Zeiten in lautes Sprechen und Phantasieren überging. Bilder der Vergangenheit tauchten in seiner Seele auf. Die verschiedenen Kampfesszenen, welche er durchlebt, zogen an ihm vorüber: Wie er mit den Berserkern gekämpft auf der Haramsinsel in Norwegen; wie er den Bären vor seiner Höhle zermalmt, und den eitlen Bjoern gestraft hatte; wie er den ungeschlachten Snaekoll von Einars Hof vertrieben, und seinen Bruder Atle an dem starken Thorbjoern, dem Sohn des Arnor, gerächt hatte; wie er mit Hallmund zwischen dessen Gletschern zusammen gelebt! Das alles zog an seiner Brust, an dieser Wand der Erinnerungen, vorüber, und sprach sich in Fieberphantasien aus. In lichten Augenblicken reichte er seinem Bruder die Hand, und versicherte ihn seines Dankes für alle die bewiesene Liebe und Treue.

„Gegen viele lanzenschwingende Männer habe ich mich verteidigt, und ging frank und rank aus all jenen Kämpfen hervor. Nun muß dieses alte, abgelebte Weib den Riesen mit ihrer Zauberei besiegen! Gegen Teufels Macht und Tücke hilft kein Schwert! – Laß uns nun doppelt vorsichtig sein, mein Bruder. Thorbjoern wird es bei diesem Wurf nicht bewenden lassen. Auf den ersten Schritt folgt sicher der zweite!“ –

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/258&oldid=- (Version vom 1.8.2018)