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Asdis, nun beider Söhne beraubt, verhüllte im tiefsten Schmerze ihr Haupt.

„Es ist geradeso gekommen, wie ich gedacht und gefürchtet,“ sagte sie. „Beide Kinder sind mir auf der Drang-ey umgekommen. Es war damals ein Abschied für immer. Aber das eine tröstet mich, sie starben als Helden, nicht von Manneskraft überwältigt, sondern von teufelischer List und böser Hexerei. Diese schimpfliche That, sie wird sich rächen!“

Aus dem alten Hofe flogen reitende Boten nach allen Enden, um die zahlreiche Verwandtschaft nach dem Stammsitze zu entbieten. Und sie kamen. Zunächst die beiden Töchter Thordis und Ranweig, die Schwiegersöhne Glum und Gamle, die Enkel Skegge[1] und Uspak[2]. Dann die übrigen Seitenverwandten. Ja, Asdis war so beliebt, daß auch die Nachbarschaft zu ihren Gunsten aufstand. Aus dem Midfjord alle, und auch aus dem Hrutafjord die meisten der Bauern traten auf ihre Seite, und brachten ihr nicht bloß tröstende Worte, sondern auch das Anerbieten ihrer Hülfe.

Für den nächsten Althing wurde ein gemeinsames Vorgehen gegen Thorbjoern Oengul beschlossen, um Gretters und Illuges Tod zu rächen.

Aber schon früher sollte die Hülfe nötig werden.

Thorbjoern hatte die Keckheit, einen Handstreich auf Bjarg zu planen.

Vier Wochen des Sommers waren vorbei. Da brach Thorbjoern mit einem Gefolge von 20 Knechten von Vidvik auf, und ritt westwärts nach dem Midfjord.

Der Trupp führte Gretters Kopf mit sich. Den Thorbjoern trieb die Habsucht. Er wollte Ansprüche geltend machen auf das Erbe des von ihm getöteten Illuge, der nach dem geltenden Rechte Anteil hatte an dem beweglichen Vermögen auf Bjarg, welches in Pferden, Schafen, Gerätschaften, Kleidern, edlen Metallen steckte.

Man war auf Bjarg vorbereitet, denn Thorbjoerns Plan war verraten worden. In Eile hatte man die Verwandten benachrichtigt, und Verstärkung herangezogen.

Asdis saß in Trauerkleidern auf dem Hochsitz der alten, würdigen Halle, ihre Verwandten und Freunde in einem geschlossenen Halbkreise hinter sich.

Thorbjoern war mit seinen Bewaffneten auf den Hof geritten, und sprang vom Pferde. Er war festlich gekleidet, und trug Gretters kurzes Schwert um die Hüften gegürtet.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. isl. Skeggi skammhöndungur Gamlason
  2. isl. Óspakur Glúmsson


Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/272&oldid=- (Version vom 1.8.2018)