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Sein Gefolge ließ er draußen. Er allein betrat die Halle, gefolgt nur von zwei Knechten, welche Gretters verhüllten Kopf trugen.

Vor dem Hochsitz blieb er trotzig stehen, ohne sich zu verneigen. Mit eisiger Kälte empfing man ihn, und kein Wort des Grußes wurde laut.

Nach einer Pause, in der feindliche Blicke herüber und hinüber schossen, begann Thorbjoern:

„Hier bring ich dir, von der Drang-ey her, Gretters unersättlichen Kopf!“ –

Die Knechte enthüllten das Haupt des Toten, und stellten den Kopf zu der Mutter Füßen.

Asdis zuckte bei diesem Anblick schmerzlich zusammen.

„Beweine nur deinen rotharigen Jungen zwiefach! Er starb als Missethäter! Wie ich es war, der den Tod ihm gab, so wehrte ich auch dem Tode! Der Kopf hier lag im Salze! – Er ist frisch! – Dank es mir!“ –

Asdis hatte diese rohen Worte mit schweigender Verachtung angehört. Dann maß sie Thorbjoern mit stolzen Blicken, und sagte:

„Du niederträchtiger Mensch! – Wie Schafe, vor dem Fuchs flüchtend, in das Wasser sich verkriechen, so wäret ihr alle vor dem Gretter geflohen, hättet ihr ihn angetroffen gesund und bei Kraft. So aber war eure Heldenthat ein gemeines Bubenstück!“ –

Aus dem Kreise der Recken, welche hinter Asdis Stuhl standen, erhob sich ein beifälliges Gemurmel, und Worte wurden laut, wie diese: „Ein Heldenweib ist sie!“ – „Kein Wunder, daß sie so tapfere Söhne gebar!“ – „Bei ihrer Herzenswunde solche Worte!“ –

Während dieses in der Halle vor sich ging, stand Uspak, der Enkel der Asdis, draußen auf dem Hofe, und forschte die Begleiter des Thorbjoern aus. Etliche von ihnen waren mit auf der Drang-ey gewesen, und hatten jene grauenvolle Nacht mit durchlebt. Sie erzählten lebhaft, wie tapfer sich Illuge geschlagen, und wie gewaltig Gretters Faust noch im Tode den Schwertknauf umklammert gehalten.

Alle drängten sich um die Erzähler, und hörten mit Ausdrücken des Staunens und des Beifalls zu.

Unterdessen sprengten Gewaffnete auf den Hof. Es war Gamle aus Melar, der Schwiegersohn der Asdis, mit seinem Sohne Skegge samt ihren Knechten.

Der weite Weg hatte sie gesäumt.

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/273&oldid=- (Version vom 1.8.2018)