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dünnen Arme werden noch einmal dich, den Riesen, rächen müssen, Gretter!“ –

Das war jetzt zu seiner Pflicht geworden, und Thorstein Drommund zauderte keinen Augenblick diese Pflicht anzutreten. Er ließ Thorbjoern durch vertraute Leute überwachen, welche seinen Spuren beständig folgen, und über Thun und Lassen des Mannes Nachricht geben mußten.

So blieb Drommund dauernd über Oenguls Leben und Treiben unterrichtet.

Davon erhielt Thorbjoern Wind. Mit Schrecken erfuhr er hier zum ersten Male, daß Gretter und Illuge einen Bruder in Norwegen besäßen, einen Mann von Vermögen, von Einfluß, von Entschlossenheit, dessen Spione ihn umkreisten.

Thorbjoern war doch nicht der Held, als welchen er sich versuchte bei den Leuten auszugeben. Er hielt es unter diesen Umständen für geraten, Norwegen zu verlassen.

Um diese Zeit fand aus Norwegen statt ein starker Abstrom von jungen, kräftigen Männern, die sämtlich nach Konstantinopel gingen, um hier in die Leibgarde des Kaisers Michael V. Calaphates (1040) einzutreten. Wanderlust, Freude an Abenteuern und der Wunsch, Ruhm wie Reichtum, in der Fremde zu gewinnen, waren die Beweggründe dazu. Die Wanderzüge der Normannen nach dem Becken des Mittelmeeres hin, sind ja auch aus der Geschichte sattsam bekannt.

Konstantinopel hieß im Munde der Nordmänner Miklagard[1] (gleich μεγας und Gard – d. h. Der große Hof). Die kaiserliche Leibwache hieß die Truppe der Vaeringer[2] (var = Vertrag).

Thorbjoern zog es nun vor im Interesse seiner Sicherheit die Nordlande gänzlich zu verlassen, und diesem Zuge nach dem Süden hin zu folgen.

Er ging nach Konstantinopel, und nahm dort Kriegsdienste unter den Vaeringern, ohne eine Ahnung, daß der Rächer seines Verbrechens ihm dorthin folgen würde.

Thorstein Drommund erfuhr durch seine Kundschafter die Abreise Thorbjoerns sowie sein Reiseziel Miklagard. Sofort beschloß auch er dorthin zu gehen. Weib und Kind besaß er nicht. So übergab er denn die Verwaltung seiner Güter seinen Verwandten. Hier wolle man sich erinnern, daß das Haus Bjarg aus Norwegen stammte. Also Thorstein Drommund reiste nach Süden, und suchte die Fußspuren Oenguls auf.
Anmerkungen (Wikisource)

  1. altnord. Miklagarðr (aus mikill groß und garðr Stadt – vgl. Names of Istanbul)
  2. altnord. Væringjar (Waräger)


Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/280&oldid=- (Version vom 1.8.2018)