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Er fand sie, und folgte dem Mörder Schritt für Schritt. Sein Vorhaben war ein Geheimnis, und Thorbjoern ahnte nicht die ihm nachrückende Gefahr. Kurz darauf, nachdem Oengul in Miklagard eingetroffen, und unter die Vaeringer eingetreten war, langte auch Thorstein Drommund dort an, und nahm Dienste bei derselben Truppe.

Beide Gegner kannten von Person sich nicht, sondern nur mit Namen; dieses erschwerte für Thorstein die Annährung.

So verlief eine längere Zeit.

Thorstein war mit dieser Lage unzufrieden. Zu lautes Forschen hätte ihn verraten, stilles Zuwarten dünkte ihn zu lange, und die Gunst einer ungesuchten Gelegenheit war bisher ausgeblieben. Wie unter der übergroßen Menge nun den Gesuchten finden?! –

In dieser Pein wälzte Drommund sich oft schlaflos auf seinem Bette, und das Bild seiner beiden getöteten Brüder stand lebendig, mahnend vor seinem Gewissen.

Da sollte der lang gewünschte Augenblick unerwartet eintreten.

Die Vaeringer wurden aufgeboten, mit den übrigen Truppen des Kaisers ins Feld zu ziehen, um das Land gegen einen anrückenden Feind zu verteidigen.

Wie üblich wurde vor dem Ausmarsch, nahe der Stadt, eine allgemeine Truppenschau durch den Kaiser Michael V. abgehalten.

Auch die Vaeringen waren angetreten.

Sie hatten, als Leibgarde des Kaisers, das Vorrecht, ihre eigenen Waffen führen zu dürfen; mußten aber vor dem Ausmarsch dieselben zur Musterung vorlegen, um auf ihre Kriegstüchtigkeit hin sie prüfen zu lassen.

Die Offiziere schritten von Rotte zu Rotte, von Mann zu Mann, und musterten genau die Ausrüstung.

So kam die Reihe denn auch an Thorbjoern Oengul.

Er hatte sich umgürtet mit dem Grettersnaut[1], mit diesem hochberühmten Schwerte, welches er der Faust des Ermordeten einst in jener Nacht auf der Drang-ey entwunden hatte.

Die Offiziere sahen mit Staunen die herrliche Schmiedearbeit an dieser selten schönen Waffe.

Das Schwert ging von Hand zu Hand.

„Schade,“ sagte der Hauptmann, „daß hier aus der Schneide ein Stück gebrochen ist! – Wie kam die Verletzung? – Sprich!“ –

Thorbjoern Oengul trat selbstgefällig vor, und sprach:


Anmerkungen (Wikisource)

  1. isl. Grettisnaut


Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/281&oldid=- (Version vom 1.8.2018)