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Mann und dennoch stemmt sich Gretter und packt den Sack und hält ihn fest und weicht dem Gegner keinen Schritt.

„Du meinst“, schreit Skegge, „Gewalt geht hier vor Recht! – Weil dein Vater reich und mächtig ist und ihr[1] auf dem schönsten Hofe am Midjord wohnt, darum soll ich, armer Schlucker, weichen? – Ich, der Knecht!“

„Das meine ich nicht,“ ruft Gretter. „Von Rang und Ehre ist hier nicht die Rede. Ein Jeder hab und halt das Seine! Aber dieser Sack ist mein!“

„Daß doch der Oedun hier wäre, dich zu würgen, wie letztes Frühjahr bei dem Ballspiel. Der hätt’ dich ja erdrosselt damals, wären die andern nicht hinzugesprungen! – Er hätt’s nur thun sollen!“

„Erdrossle du mich doch, wenn du es kannst! – Komm her!“

Und beide ließen nun den umstrittenen Ranzen fahren und stellten als Kämpfer sich einander gegenüber.

Skegge griff nach seiner Streitaxt, holte aus und hätt’ den Gretter unweigerlich getötet, wenn dieser nicht mit seiner linken Hand, den Stiel der Axt packend, dicht über Skegge’s beiden Händen, mit scharfem Ruck sie an sich riß, sodaß Skegge das Beil mußt’ fahren lassen.

Nun nimmt Gretter die dem Gegner entwundene Waffe in seine beiden Hände, holt aus und zielt nach Skegges Kopf. Er trifft und treibt die Axt ihm tief in’s Hirn, und tot fällt Skegge nieder.

Gretter nimmt den Sack, um den der Streit entstand, es war der seine, von der Wiese auf, wirft ihn quer über den Sattel, sitzt auf und reitet den anderen Reisegefährten nach.

Skegge war im Gefolge des Torkel bereits vermißt worden. Als Gretter zu ihnen stieß, fragten viele: „Wo ist Skegge?“ – „Sahst du ihn nicht?“ –

„Ein Troll[2] hat ihn geholt! Die Axt, die Riesin des Kampfes, gähnte über seinem Kopfe. Sie biß ihn an. Ein Blutstrom quoll hervor. Und ich war bei dem Streite.“

„Ein Troll? – Du bist ein Narr! – Bei hellem, lichtem Tage wagt kein Kobold sich heraus!“

„Die Sach’ steht anders,“ sagte Torkel. „Ich fürchte, Gretter, du hast den Mann getötet. Sprich, wie’s geschah?“

Nun erzählte Gretter wahrheitsgetreu den ganzen Vorgang. Torkel wiegte ernst sein graues Haupt und sagte:


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ihr
  2. isl. tröll (vgl. Troll)


Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)