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Die Mannschaft arbeitete schwer, um des Wassers Herr zu werden. Pumpen gab es damals noch nicht. Man half sich mit Schöpfeimern. Unten gefüllt, wurden die Eimer an Stricken hinaufgezogen und oben über Bord ausgegossen. Eine saure Arbeit! Da wurden die Arme der Leute müde.

Auch jetzt noch lag Gretter unthätig da, unbekümmert um die Drangsale der andern. Nicht Spott-, nicht Drohworte brachten ihn auf die Beine.

Erst als Baards junges Weib ihn freundlich bat, er möchte mithelfen, sprang er auf und half. Ja, er stellte sich freiwillig an den schlimmsten Platz unten in den Schöpfraum und füllte die Eimer. Zwei Mann zogen sie herauf und gossen sie über Bord. Das ging wie der Wind. Aber es dauerte nicht lange, so waren die zwei Männer oben ganz erschöpft. Sie wurden abgelöst von vier Mann. Auch diese konnten kaum so schnell ausleerten, als Gretter schöpfte. Nach einiger Zeit wurden sie abgelöst von 8 Mann, Gretter bediente auch diese, und seine Arme wurden nicht müde. Nicht eher ging er vom Platze, als bis das Schiff unten ganz trocken war.

Alles staunte über Gretters große Kraft und von Stund’ an sprach jeder mit Achtung von ihm. Die Spottlieder hörten auf und er half nun freiwillig, wo es not that.

Aber das Wetter wollte sich nicht bessern. Der Sturm kam stark und stärker aus Westen. Die See ging hohl. Dichter Nebel hing bis auf die Kämme der Wellen herab. Das Schiff arbeitete stark, und konnte seinen Kurs nicht halten, es trieb immer weiter nach Osten ab.

Eines Nachts bemerkten sie plötzlich, daß das Schiff mit seinem Hinterteil auf eine Klippe aufsetzte. Es gab furchtbare Stöße. Das Wasser drang stromweise durch ein großes Leck ein, und sie sahen sofort: „Wir sind verloren“!

Man machte das mitgeführte Rettungsboot flott. Die Weiber und alles Bewegliche, was man in der Dunkelheit erraffen konnte, wurden hineingebracht; dann setzte man ab.

Zum Glück war in der Nähe eine Insel mit flachverlaufendem Strande, die das Landen gestattete. Dorthin brachten sie während der Nacht ab- und zufahrend, alle Menschen mit ihren Sachen, so gut es eben ging. –

Als der Morgen graute, entstand die Frage: „Wo sind wir?“ –

Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/40&oldid=- (Version vom 1.8.2018)