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Gretter erwiderte: „Jeder Mann ist Herr über seine Zunge. Und nicht mit Worten bloß will ich euch hier bedienen. Für eure Bewirtung auch will ich sorgen, so gut ich es vermag. Kommt nun mit mir in das Haus!“

„Wir nehmen es mit Dank an!“

Als sie den Hof betreten hatten, nahm Gretter die Hand des Thorer und führte ihn in die Stube.

„Macht es euch hier bequem! Ihr werdet müde und durstig sein von dem vielen Rudern. Oder wollt ihr erst die nassen Kleider ablegen?“

Die Hausfrau war nebenan in der Halle. Sie ließ die Wandteppiche aufhängen und alles schön in Ordnung bringen zum morgenden Weihnachtsfeste.

Als sie Gretter nebenan so geläufig und so freundlich sprechen hörte, was sonst doch nicht seine Art war, stand sie still und horchte. Dann ließ sie durch eine Magd ihn zu sich rufen und fragte:

„Wen empfängst du denn darinnen so zuvorkommend?“

Gretter erwiderte: „Hausfrau, es ist ratsam Gäste gut zu empfangen! – Hier ist gekommen der Bauer Thorer Toemb mit 12 Mann, die wollen das Weihnachtsfest bei uns feiern. Und das trifft sich gut, denn wir sind hier im Haus nur sehr wenige.“

Die Hausfrau erwiderte: „Ich rechne den Thorer nicht zu den Bauern, noch zu den rechtschaffenen Leuten, sondern zu den Räubern und ärgsten Bösewichtern. Ich für mein Teil hätte mit Freuden die Hälfte meiner Habe dafür hingegeben, wenn sie nicht gekommen wären, zumal jetzt wo der Hausherr fort ist. Und du, Gretter, wenn du so freundlich mit ihnen thust, dann lohnst du nur schlecht dem Torfin dafür, daß er dich als einen schiffbrüchigen und landfremden Mann in sein Haus aufnahm, und den ganzen Winter wie einen Freigeborenen behandelt hat.“

Gretter erwiderte: „Es ist besser, Hausfrau, den Gästen die nassen Kleider auszuziehen, als mich zu schelten. Dazu wird sich noch genug Gelegenheit finden!“

Durch dieses erregte Zwiegespräch angelockt, trat Thorer Toemb selbst in die Halle ein und sagte:

„Hausfrau, sei nicht so böse! Es soll nicht dein Schade sein, daß dein Mann nicht zu Hause ist. Einer von uns soll seine Stelle bei dir vertreten. Auch deiner Tochter und den Mägden soll es an Gesellschaft nicht fehlen!“

Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/52&oldid=- (Version vom 1.8.2018)