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zum Hiebe aus und durchschlug des Bären linke Klaue oberhalb des Gelenkes. Abgetrennt fiel die Klaue zu Boden. Der Bär hob nun die rechte Pfote zum Schlage auf und stützte dabei seinen schweren Körper auf den linken blutigen Stumpf.

Er vergaß, daß dieser kürzer geworden war, verlor das Gleichgewicht und fiel dabei in Gretters Arme. Dieser ließ das Schwert nun fallen, welches am Riemen hängen blieb, griff mit beiden Fäusten nach des Bären Ohren und hielt die Bestie mit steifen Armen von sich ab, sodaß er nicht von ihr gebissen werden konnte.

Gretter hat später selbst gesagt, daß dies, seiner Meinung nach, die größeste Kraftprobe in seinem Leben gewesen ist.

Der Bär machte nun viele Anstrengungen, seinen Kopf aus den eisernen Griffen seines Gegners heraus zu winden. Dabei drehte er seinen dicken Leib zerrend hin und her. Bei einem dieser Seitensprünge kam er auf dem schmalen Vorplatz seiner Höhle dem Felsenrand zu nahe, verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe, Gretter mit sich ziehend, der des Bären Ohren nicht fahren lassen wollte.

Es war ein Todesweg.

Aber der Leib des Bären, schwerer als der des Gretter, bewirkte, daß jener mit seinem dicken, zottigen Pelz zu unterst, und Gretter obenauf zu liegen kam.

Das war Gretters Rettung.

Der Bär war durch dieses Aufschlagen auf die Felsen furchtbar zerquetscht. Das Beißen hatte er verlernt, aber noch lebte er. Gretter war unverletzt. Er griff nach seinem Schwerte und durchstach des Bären Herz.

So endete die Schlacht.

Nun kletterte Gretter wieder zur Höhle hinauf und holte sich seinen Mantel. Dieser war ganz zerfetzt. Aber zerrissen, wie er war, warf Gretter ihn um die Schultern, das schönste Siegeszeichen! Dann raffte er des Bären abgeschlagene Klaue auf und schob sie unter sein Wams! – So ging er nach Hause! –

Thorkel saß in der großen, von Fackeln beleuchteten Halle am Trinktisch mit seinen Gästen und Mannen.

Als Gretter in die Thüre trat, richteten sich aller Blicke auf ihn.

Das Haar zerzaust, das Wams blutbespritzt, die Fetzen des Mantels in langen Strähnen von der Schulter fallend, so stand er da, heldenhaft und drollig zugleich.

Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/66&oldid=- (Version vom 1.8.2018)