Seite:Grimm Linas Maerchenbuch II 010.jpg

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Darüber waren denn etliche Jahre vergangen, und des Königs Schmerz war linder worden in der Zeit. Da traten eines Tages seine Großen und Räthe vor ihn, und fragten ihn, ob er noch sein Versprechen erfüllen wolle, wenn sie ihm eine Jungfrau nennten, die ganz das Ebenbild der vorigen Königin sei. Da schwur der König einen heiligen Eid, daß er sein gegebenes Wort halten wollte, und wann er es nicht in jedem Falle erfülle, so sollten sie ihn aus seinem eigenen Lande verbannen.

Da sagten die Großen und Räthe: „Wohl, wir haben nun das Wort. Unser Vaterland wird nun bald wieder eine Königin haben, denn Armina ist ganz das Ebenbild ihrer verstorbenen Mutter.“

Da entsetzte sich der König, und ihm fiel schwer auf’s Herz, daß er seinen Eidschwur unbedacht abgelegt, und stellte es ihnen vor, wie das eine Sünde sei vor den Menschen und im Himmel, denn noch nie sei das in der Welt geschehen, daß ein Vater seine eigene Tochter zur Gemahlin gehabt habe, und er dürfe nichts thun, wenn er schon König wäre, was noch kein Mensch in der Welt gethan habe. Aber die Großen und Räthe bestanden darauf, er habe geschworen, sein Wort in jedem Falle zu halten, und seinen Schwur dürfe er jetzt nicht brechen; es müßte so geschehen.

Da wollte der König läugnen, daß Armina das Ebenbild

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Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_010.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)