Seite:Grimm Linas Maerchenbuch II 106.jpg

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wie die Arbeiter auf den fernen Feldern ihre Geräthe weggeworfen, und in weiten Umkreisen den Felsenhang erstiegen, und den Eingang der Stadt zu erreichen suchten, und wie selbst die Ochsen und Schafe von der Weide liefen, und sich scheu in die Wälder und Ställe flüchteten. Da ward ihm doch auch ein wenig bang um das Herz. Aber er getrauete sich nicht aufzustehen, und von dannen zu fliehen, weil er dann um so gewisser eine Beute der greuelerregenden Brut zu werden befürchtete. Und halb in Angst, halb in Ungewißheit, was er thun solle, spielte er immer noch über die Saiten seiner Zither hin, aber seiner Seele war nicht bewußt, was seine Finger thaten. Da er aber sah, daß die Würmer sich also ruhig um ihn gelagert hatten, und auf die Töne zu horchen schienen, griff er wieder beherzter in die Saiten; und immer aufmerksamer wurden die Würmer. Da faßte Adelbert noch kühneren Muth, und sang zu den Tönen folgendes Lied.

„Saß ein Knab’ am Felsenhange,
Schlug der Saiten Gold;
Kommt aus dunkelm Grottengange
Lindwurm hergerollt.
Hinter ihm die Lindwurmsbrut.
Und dem Knaben sinkt der Muth.
Aber von den gold’nen Saiten
Hört man noch die Töne gleiten,
Und den Zauber ungekannt,
Lockt hervor des Knaben Hand.

Empfohlene Zitierweise:
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_106.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)